HULDER – The Eternal Fanfare

HULDERs DebĂŒt ‘Godslastering: Hymns Of A Forlorn Peasantry’ war Anfang 2021 ein Paukenschlag, der deutlich machte, dass traditioneller 90er-Black Metal immer noch lebt, und sich sogar eines neuen FrĂŒhlings erfreuen kann, wenn ihm von berufenen HĂ€nden (und StimmbĂ€ndern!) eine so leidenschaftliche Frischzellenkur verpasst wird. Was The Inquisitor aka Marz Osborne, aus Belgien in die USA emigriert und dort nun auch verehelicht, da an Können, Vision, Trveness und ja, auch Heldenverehrung, in ihre Musik packte, war zwar fĂŒr ein paar Puristen zuviel des Guten, fand jedoch in der Szene riesigen Anklang, und auch tiefen Respekt, ist HULDER, nur mit Ausnahme der Drums, doch eine echte One-Woman-Show, spielt sie doch sĂ€mtliche Instrumente ausser dem Schlagzeug, das ihr Mann bedient, selbst.

Dass sie klassischen Black Metal lebt und liebt, wie ihr Logo dafĂŒr brennt, und zwar inklusive dem entsprechenden historischen und folkloristischen Hintergrund, dem Ganzen jedoch immer ihren ganz persönlichen Stempel aufdrĂŒckt, haben wir schon auf dem Cover von ‚Godslastering’ gesehen, auf dem sie wie auch auf den aktuellen Promobildern im Gewand, aber mit breitem Killernietenarmband und gerne auch mit Waffen posiert, und hören es in ihren Intros und Keyboardpassagen, die vor allem an Mittelaltermusik angelehnt sind. Waren die Keys anfangs noch gewollt im primitiven Kirchenorgelstyle der 90ern, gab es jedoch bereits NaturgerĂ€uschsamples, und so beginnt ‚The Eternal Fanfare’ nun mit Feuerknistern vor bedrohlichen…

STIRIAH – …Of Light

An STIRIAHs dritter LP ‚
Of Light’ habe ich mir lang die ZĂ€hne ausgebissen, tue es eigentlich immer noch. Das Quartett, das seinen Schwerpunkt von Dresden in die Hauptstadt verlagert hat, ist schwer zu fassen; als Rezensentin versuche ich anfangs automatisch, Bands irgendwo einzuordnen, indem ich unbewusst versuche, sie mit anderen zu vergleichen – dieser Weg ist vermutlich menschlich, wir versuchen intuitiv eine Ordnung zu schaffen, zuzuordnen, Ähnlichkeiten zu finden, doch das funktioniert bei STIRIAH nicht. Sie widersetzen sich einfachen Schubladen, und zwar durchaus mit Stolz.

Gut, natĂŒrlich hört man sofort, wo ihre HaupteinflĂŒsse herkommen, das ist klassischer, ziemlich norwegischer Zweite Welle-Black Metal, mit einem grossen Melodieanteil, aber da ist noch einiges, unerwartetes mehr, und obwohl sie selbst ihren roten Faden offenbar ganz eindeutig kennen, die Stringenz der Platte legt das nah, lassen sie uns Hörer damit erstmal allein im Nebel stehen. Oder in totaler Verwirrung, völliger Un-Ordnung? Sie selbst nennen ihren Stil ja „Harmonic Black Chaos – since 2015“, und damit kommen wir der Sache vermutlich deutlich nĂ€her


THE SWELL FELLAS – Novaturia (EP)

THE SWELL FELLAS, das sind zwei BrĂŒder und ihr bester Freund aus Kindheitstagen, die aus Ocean City, Maryland, auszogen, die Welt mit ihrem vertrĂ€umt-trippigen, aber gleichzeitig sehr direkten und komplexen Heavy Psych / Stoner Rock ein bisschen bunter und schöner zu machen. Es ist ein vielfarbiger, meditativer, sehr entspannter Strudel wie direkt aus dem Ölprojektor, in den uns das seit 2020 in Nashville heimische Trio zieht, ein DreiergesprĂ€ch zwischen Mark Rohrers groovend-warmem Bass, Chris Poole’s knackigen Drums sowie den psychedelisch-bluesig-grungigen Gitarreneskapaden seines Bruders Conner Poole, das ganz natĂŒrlich, gefĂŒhlt fĂŒr ewig und einfach zeitlos ansteigt und wieder ausebbt, so wie der Wellengang oder die Ebbe und Flut ihres Bandnamens.

Alle Drei steuern Gesang sehr unterschiedlicher Stimmcharaktere bei, von Song zu Song abwechselnd und auch im Chor, was die Vocals weit aus der Masse des Genres herausragen lĂ€sst, ‚High Lightsolate’ ist ein wunderbares Beispiel dafĂŒr und erinnert an die grossen vielstimmigen US-Rockbands der 70er Jahre.

Trios haben immer eine besondere Chemie und Power, hier spĂŒrt man zudem die sehr enge und schon lange bestehende Verbindung zwischen den drei Akteuren…

IATT – Magnum Opus

Schon interessant, wie es manchmal lĂ€uft im Leben – einen wirklichen Zugang zu ‚Magnum Opus’ habe ich erst bekommen, als ich mich zeitgleich zum einen mit IBARAKI, und zum anderen mit der neuen SEPTICFLESH beschĂ€ftigt habe. Dann hat das Album auf einmal gezĂŒndet, und auch wenn Jay Briscoe mit seinen fiesen, entweder zum Highpitch oder in Grabestiefen ĂŒberdrehten, stark metalcorebasierten Shouts nie zu meinen favorisierten SĂ€ngern gehören wird, kann ich seine Vocals nun besser einordnen. Bei einer Platte, die mit einer melancholischen Violine startet, kommt solch krasser Gesang eine Minute spĂ€ter einfach ĂŒberraschend, aber eben auch solche Dinge wie Saxophonsoli, Flamencogitarren, barocke Pianopassagen, Klangschalensessions, spacige Keyboardsounds oder coole JazzlĂ€ufe, und IATT (ehemals I AM THE TRIREME) haben all das im Programm. Das Quartett aus Philadelphia will sehr viel, und hat noch viel mehr Ideen.

Zu den oben genannten Bands könnte man noch FLESHGOD APOCALYPSE, aber auch IMPERIAL TRIUMPHANT hinzufĂŒgen, und damit ist die Arena, in der ‚Magnum Opus’ agiert, einigermassen abgesteckt. Zwischen technischem, teils verspielt symphonischem Death Metal mit rhythmischem US-Metalcore-Kern und sehr experimentellem, progressivem Black Metal kommt hier alles bunt gemischt aufs Tapet, und kann den Hörer anfangs tatsĂ€chlich ĂŒberfordern, weil so viel auf einmal passiert…

17 YEARS SOUND OF LIBERATION – Festivals

Eigentlich wollten Sound Of Liberation, die Schwergewichte im Bereich fuzziger Riffs, ihr 15-jĂ€hriges Bestehen schon vor zwei Jahren ausgiebig und stilgerecht mit fetten Festivals feiern, stattdessen orientierte sich die damals reine Veranstaltungs- und Bookingagentur notgedrungen um und grĂŒndete ihr eigenes Label plus Webshop, womit sie sich erfolgreich ĂŒber die lange Covid-Zeit retten konnten. Zum GlĂŒck fĂŒr alle Stoner-, Heavy Rock- und Psychedelic Fans rund um die Welt! Und nun können auch die ausgiebigen FestivitĂ€ten endlich nachgeholt werden.

Matte, CEO bei Sound Of Liberation, berichtet: „Bereits 2019 hatten wir unser 15-jĂ€hriges Bestehen unseres kleinen Unternehmens fĂŒr Juni 2020 geplant. Wir haben ein fettes, internationales Line-Up gebucht und mit Promotion und Ticketverkauf begonnen. An dieser Stelle ist es unnötig zu erwĂ€hnen, da wir alle wissen was in den letzten 2 Jahren mit Live Musik und Veranstaltungen passiert ist.
Ehrlich gesagt wussten wir nicht, ob wir den Covid Clash mit SOL ĂŒberleben wĂŒrden, daher sind wir mehr als dankbar und glĂŒcklich, dieses Wochenende endlich unseren Firmengeburtstag in MĂŒnchen (Backstage) und in zwei Wochen in Wiesbaden (Schlachthof) feiern zu können. Ich danke euch allen fĂŒr eure UnterstĂŒtzung in all den Jahren und hoffentlich sehen wir uns bei einer oder beiden unserer Geburtstagsfeiern!“

Die erste steigt bereits am kommenden Wochenende im wunderbaren Backstage in MĂŒnchen, weiter geht’s zwei Wochen spĂ€ter im Schlachthof Wiesbaden…

WAZZARA & DORDEDUH live

Zwei Bands und ihre jeweiligen Zweitlinge haben mich durch das vergangene Jahr auf besondere, doch ganz unterschiedliche Weise begleitet, was sich dann auch entsprechend in meinem JahresrĂŒckblick niederschlug. Zuerst ĂŒberraschten DORDEDUH im Mai mit ihrem zwischen Progrock und folkloristischem Black Metal pendelnden Jahrhundertalbum ‚Har’, das mich mit seiner positiven Kraft, Schönheit und geerdeten SpiritualitĂ€t durch den gesamten Sommer begleitete. An Samhain brachten dann die mir bis dahin unbekannten WAZZARA um Barbara Brawand ihr LP-DebĂŒt ‚Cycles‘ heraus, was mich komplett umgehauen hat – es trifft nicht nur genau meinen Musikgeschmack mit seinen vielen Stimmungs- und Dynamikwechseln in seiner stimmigen Melange aus bassbetontem Doom, grossen Melodien und extremmetallischer HĂ€rte, sondern hat mich, aber vor alle mit seinem thematischen und sprituellen Fokus auf kraftvolle, schöpferische, eben zyklische Weiblichkeit gleichzeitig ermutigt und ganz tief beruehrt.

Als ich jedoch herausfand, dass Putrid aka Andrei Jumugă auf beiden Alben Schlagzeug spielt, da die Bands miteinander befreundet sind, hat sich ein Kreis geschlossen, und ich habe mich nicht mehr wirklich gewundert, als das ursprĂŒnglich fĂŒr den 11. Dezember 2021 geplante gemeinsame Konzert im Gaswerk Winterthur angekĂŒndigt wurde. Da muss ich hin! Was fĂŒr ein GlĂŒck, diese beiden Bands zusammen auf einer intimen ClubbĂŒhne zu erleben! Big C hat jedoch zuerst einmal einen Strich durch die Rechnung…

IN TWILIGHT’S EMBRACE – Lifeblood

Typisch fĂŒr den zeitgenössischen atmosphĂ€rischen Black Metal aus Polen ist ja eine alles durchdringende industrielle KĂ€lte und fast maschinenhafte AusfĂŒhrung bei zwischen Resignation und Nihilsmus pendelnder, oft auch ritueller Stimmung. Wenn sich eine Band jedoch seit ihrer GrĂŒndung 2003 stilistisch vom Metalcore ĂŒber Gothenburg-Melo/Death Metal schliesslich zu Blackmetallern entwickelt, haben sie schon rein technisch einiges mehr in der Hinterhand als ein reiner BM-Act, kompositorisch sowieso. Was bei ‚Lifeblood’ sofort auffĂ€llt ist der extreme Technikfokus bei trotzdem durchweg melodiebetonten Arrangements, fesselnden Dynamikwechseln und einem sehr eigenstĂ€ndigen Stil. Sicher, eine NĂ€he zu BLAZE OF PERDITION aber auch MORDASTIGMATA ist nicht zu verleugnen, was jedoch auch an personellen Überschneidungen mit Ersteren liegt, und natĂŒrlich der gemeinsamen Szene.

Doch tatsĂ€chlich sind IN TWILIGHT’S EMBRACE musikalische Kosmopoliten, die ebenso viel vom schwedischen wie französischen sowie sĂŒdeuropĂ€ischen Extremmetal in ihre eigene Melange einfliessen lassen, wie sie sich auf ihre Herkunft besinnen. Heraus kommt eine sehr moderne Interpretation des Genres voller GegensĂ€tze, die sich zu einem passgenau einzig- und neuartigen Sinneseindruck vereinen, der ĂŒberaus stimmig, schon durch seine Hochgeschwindigkeit im Kontrast zu spannungserzeugenden Breaks und mĂ€chtigen Lowtempo-Parts mitreissend und vor allem originell ist…

Charly HĂŒbner ĂŒber MOTÖRHEAD oder Warum ich James Last dankbar sein sollte

„Motörhead ist fĂŒr mich gleichzeitig Rettungsanker und Rakete im Arsch, und ein Abstandhalter zwischen der Welt und mir“

Ich liebe Überraschungen, vor allem solche, die wirklich komplett unerwartete Einsichten in die wilden Wege des Lebens bringen. Bei Charly HĂŒbner dachte ich bisher an ‚Polizeiruf 110‘, diverse Kino- und TV-Filme (wie zuletzt ‚Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush‘), und weiss auch noch irgendwie, dass er am Deutschen Schauspielhaus Hamburg tĂ€tig ist, hatte jedoch bislang keinerlei Ahnung von unserer gemeinsamen grossen Liebe zu drei Haudegen aus England, zusammen MOTÖRHEAD genannt.

In seinem ersten Buch, erschienen im Oktober 2021 in der spannenden Reihe „KiWi MUSIKBIBLIOTHEK“, versucht HĂŒbner nun genau diese lebenslange Begeisterung fĂŒr seine absolute Lieblingsband zu ergrĂŒnden, und zwar mithilfe des Teufels, zu dem er seit Kindesbeinen einen ausgesprochen guten Draht hat und der praktischerweise regelmĂ€ssig in HĂŒbners Heimat SĂŒdmecklenburg anzutreffen ist, genauer gesagt „am Teufelsstein im Hullerbusch“.

Gemeinsam mit ihm begibt sich der Schauspieler, geboren 1972 in Neustrelitz, zurĂŒck in seine Kindheit und Jugend in der tiefen DDR-Provinz, und lebt in einer rasanten Zeitreise persönliche SchlĂŒsselmomente (wie das durch Schlagerallergie vollgekotzte elterliche Auto, die MassenschlĂ€gerei…

PREDATORY LIGHT – Death And The Final Hours

Ein Proto-Black Metal-Style, aber sauber auf dem Stand der Zeit abgemischt, ein bösartiges Bellen mit schwĂ€rzesten Botschaften allein ĂŒber ein Thema, den Tod und das Ende aller Zeiten, und immer ganz vorne und ĂŒber allem drĂŒber diese schneidende und gleichzeitig fast barocke Gitarre, die hier die eigentliche Hauptrolle spielt – und selbst kaum einzuordnen ist. Es ist eine bizarre Mischung, die PREDATORY LIGHT aus Santa Fe uns da mit ihrem Zweitling ‚Death And The Twilight Hours’ kredenzen.

Psychedelisch, exzentrisch, aus der Zeit gefallen und diese in vier teils sehr ausufernden Longtracks auch mal vergessend, irgendwie schrĂ€g, oft dissonant, absolut nicht in irgendwelche Schubladen einzuordnen, aber vielleicht gerade deswegen so reizvoll kommt dieser Mix aus Black und etwas Death Metal plus einer ordentlichen Dosis Doom, auch im Wortsinn, daher, der vor allem Liebhaber eher kauziger KlĂ€nge ansprechen wird. Die wilde Truppe aus dem kreativen und spirituellen Schmelztiegel New Mexicos, personell deckungsgleich mit den Deathern SUPERSTITION und somit auch mit ASH BORERs und VANUMs Kyle Morgan am Sechssaiter, hat sich diesmal dem Schwarzen Tod, also der Pest verschrieben, und orientiert sich dabei an Berichten von Lukrez ĂŒber die Pest in Athen 430 v. Chr. bzw. Boccaccio…

BEDSORE / MORTAL INCARNATION – Split

Man muss sich ja schon Gedanken machen ĂŒber das Sorgenkind Death Metal. Irgendwie hĂ€ngengeblieben im ewigen WiederkĂ€uen alter Ideen, Technik sehr gut, aber Innovation mangelhaft, ausser in gewissen ausserschulischen Untergrund-Arbeitskreisen ist die Motivation, etwas zum eigenen Vorankommen zu tun, eher gering. Sich an den Ă€lteren MitschĂŒlern zu orientieren, die schon x-Mal die Ehrenrunde gedreht haben seit sie sich auf lĂ€ngst verwelkten Lorbeeren ausruhen, macht eben auch nix besser. Und dann dieser latente Hang zur Gewaltverherrlichung und die Verweigerung, das tiefgestimmte eigene GefĂŒhlsleben abseits von Instinktbefriedigung und aggressiver ImpulsivitĂ€t zu erforschen – wenn das alles so weitergeht, ist die Versetzung aus der Metal-Grundschule stark gefĂ€hrdet. Dabei sah im Kindergarten doch alles noch so vielversprechend aus
 und nun hat das schwarze Familienschaf Black Metal den Ă€lteren Bruder fast komplett abgehĂ€ngt, was die Zukunftsperspektiven angeht. Sogar die Cousins Melodeath und Deathdoom haben noch die Kurve gekriegt und mittlerweile eine Festanstellung bei Majors, aber der klassische Deathmetal – ein wirklich trauriges Bild
 lange geht das nicht mehr gut.
Doch es gibt noch Hoffnung. Sie kommt, wie so oft, von weit draussen im All, wo aus grosser Distanz der GesamtĂŒberblick ĂŒber die Welt der Rockmusik und ihre ZusammenhĂ€nge leichter fĂ€llt. Zwei junge Bands, selbst durch…