FRAYLE – Skin & Sorrow

Vorgestern vor einem Jahr durfte ich sie live in Stuttgart erleben, und nun sind sie schon wieder mit ihren zwei Livemitstreitern auf Euro-Tour,, das Clevelander Duo FRAYLE, und haben dazu ihren zweiten Langspieler ‚Skin & Sorrow’ mitgebracht. Wer die 2017 gegrĂŒndete Band nicht ĂŒber ihre EPs kannte, wurde spĂ€testens 2020 von ‚1692’ gefangengenommen, ihrem Konzeptalbum ĂŒber die Hexenprozesse von Salem.

Es folgten intensive TouraktivitĂ€ten, erst letztes Jahr auch hierzulande, und die Fangemeinde wuchs stetig, sprechen FRAYLE doch vielerlei Publikum an: Sludger & Stoner, Gothics, Ambientfreaks genauso wie Triphopper und einfach aufgeschlossene Metalfans. Ihr Erfolgsrezept, stark aufs einzelne, stetig wiederholte Riff und seine Wirkung reduzierten Sludge mit Ă€therischem Gesang Ă  la BJÖRK zu kombinieren, schuf sich selbst eine bisher ungehörte, doch höchst reizvolle Nische im weiten Feld des Doom, die unermĂŒdlich starke, bisher nicht miteinander zu verbindende Kontraste ausleuchtet, verwebt und intensiviert, um ihre Einzigartigkeit noch stĂ€rker zu betonen. Besonders der Gegensatz von Gwyn Strangs geisterhaft flĂŒsternd-gehauchter, zwischen kindlicher Unschuld und dem sĂŒssen Gift reifer Tollkirschen wechselnder Stimme auf der einen, und Sean Biloveckys supertiefen monolithischen Riffs auf der anderen Seite erschafft einen unheimlichen und hypnotischen Trademarksound, den man nicht mehr aus dem Kopf bekommt…

SONJA – Loud Arriver

Die meisten Menschen leben bis zum Tod mit dem Namen, der ihnen von ihren Eltern gegeben wurde, doch immer mehr wĂ€hlen irgendwann passend zu ihrer wahren IdentitĂ€t einen, der das ausdrĂŒckt, wer sie wirklich sind. Melissa Moores Vorname ist natĂŒrlich viel mehr als nur eine Reminiszenz an das epochale MERCYFUL FATE-DebĂŒt und Ausdruck ihres durch und durch vom Heavy Metal geprĂ€gten Lebens, sagt jedoch auch sehr viel ĂŒber ihre Persönlichkeit aus. Dasselbe tut ‚Loud Arriver’, ein DebĂŒt, das man so von drei bisher fest im extremen US-Black/Thrash/Death Metal verwurzelten MusikerInnen nicht erwartet hĂ€tte.

Dreh- und Angelpunkt bei SONJA ist Melissa Moore, ebenso aktiv als Donna Violence bei den blasphemischen CROSSSPITTER, bei den Thrashern RUMPELSTILTSKIN GRINDER und einem grösseren Publikum bisher vor allem bekannt als Vis Crom, langjĂ€hriger Gitarrist und Songwriter bei ABSU. Es war fast unmöglich, das erbĂ€rmliche Schmierentheater um Moores Rauswurf von den texanischen Occult-Blackthrashern zu ignorieren, nach ihrem öffentlichen Einsatz gegen die 2018 von den Republikanern unter Trump geplante extrem restriktive Gender-Gesetzesnovelle, die die gesellschaftliche Stimmung gegenĂŒber Transgendern in den USA noch aggressiver als bisher…

GOTT – To Hell To Zion (EP)

Der Tod, so schmerzhaft er auch ist, ist Teil des Lebens und seines ewigen Zirkels von Werden und Vergehen. Als Michiel Eikenaar am 12. April 2019, mitten wĂ€hrend des Roadburn Festivals, nur zweiundvierzigjĂ€hrig seinem Krebsleiden erlag, war auch die NiederlĂ€ndische (Black) Metal-Szene tief erschĂŒttert. Seine ehemalige Band DODECAHEDRON, das NL-BM-Allstar-MAALSTROM-Projekt und auch MOLASSES widmeten dem Tilburger ihre dortigen Auftritte, aber der Verlust des charismatischen, beliebten und umtriebigen Frontmannes hinterliess eine riesige LĂŒcke, fĂŒr viele seiner Freunde eine tiefe Wunde, die nur schwer verheilt.

Angesichts eines solchen Todes stellen Menschen seit Urzeiten die Frage nach der Existenz Gottes, und Dave van Beek (GGU:LL, ex- DODECAHEDRON), einer von Michiels engen Freunden, nahm dessen Tod und auch die Zeit der Pandemie zum Anlass, ein eigenes Gartenstudio namens “The House Of Doom” zu bauen sowie eine neue Band fĂŒr Kompositionen, die nicht in seine anderen Kapellen passten, zu grĂŒnden, um zusammen diesen grossen Verlust zu verarbeiten. Die Single ‚Axiom VI’ war im Sommer 2019 das erste Lebenszeichen von GOTT, ein ergreifendes Lied ĂŒber den Tod und vor allem, wie das gesamte Bandschaffen, eine Hommage an Eikenaar. Nun kommt ihre erste EP ‘To Hell To Zion’, auch auf Vinyl…

PANZERFAUST – The Suns of Perdition, Chapter III: The Astral Drain

Don’t judge a book by it’s cover – und lass dich nie mehr von einem unappetitlich martialischen deutschen Bandnamen bei fremdsprachigen Bands abschrecken! Dass ich um PANZERFAUST bisher einen grossen Bogen gemacht habe, reut mich nun, denn das vorliegende Album lief mir vom ersten Spin an extrem gut rein, und da es sich um den dritten Teil einer Tetralogie handelt, musste ich natĂŒrlich nachsitzen und mir zumindest die beiden VorgĂ€nger draufschaffen. Selbst schuld! Oder eher – zum GlĂŒck noch rechtzeitig begriffen?

Die ersten beiden Teile, ‚The Suns of Perdition: Chapter I – War, Horrid War’ und ‚Chapter II: Render Unto Eden’, unterscheiden sich so stark voneinander wie vom nun vorliegenden dritten Teil, der mir persönlich am meisten entgegenkommt – hĂ€tte ich mit dem themenentsprechend extrem brutalen und zwischen Bösartigkeit, Aggression, Verzweiflung und Qual pendelnden ‚War, Horrid War’ begonnen, wer weiss, ob ich am Ball geblieben wĂ€re. Krieg und alle seine Werkzeuge und Schrecken werden hier so dermassen drastisch vertont und verarbeitet, dass entsprechend harte Kost dabei herauskommt. PANZERFAUST haben verschiedene Kriegsszenarien der Neuzeit herangezogen, besonders…

IMPERIAL TRIUMPHANT & PI live in Straßburg

Ein heisser Hochsommertag in Straßburg, das Zentrum zwischen Kathedrale und La Petite France platzt fast vor lauter Touristen, und auch eine kleine Reisegruppe aus New York City ist fĂŒr einen Abend hier, um die eigene Megacity auf ihre Art zu besingen – mit den Mitteln von Black und Death Metal sowie einem guten Schuss Jazz. IMPERIAL TRIUMPHANT sind auf grosser ‘Mother Of Greed’-Europatour mit insgesamt 27 Auftritten auf diversen Festivals und in mittelgrossen Clubs. Noch sind sie bei uns nur Insidern bekannt, doch ihr aktuelles und fĂŒnftes Album ‚Spirit Of Ecstasy’ sollte das nun schnell Ă€ndern, es wird auf jeden Fall in diversen Jahresendlisten zu finden sein.

Doch zuerst will der Weg ins erst vor zwei Jahren neu eröffnete La Maison Bleue im SĂŒden der Stadt gefunden werden, und so kommt es, dass ich von PI, die sehr pĂŒnktlich gestartet sind, nur noch den Rest des Auftrittes zu hören bekomme. Das multinationale Trio hat sich 2015 hier in Straßburg gegrĂŒndet und besteht aus dem Mexikaner Guillermo GonzĂĄlez an der Neunsaitigen, Guido Pedicone aus Argentinien am fretless Bass sowie Lokalmatador Ludovic Muller am Schlagzeug. Die drei haben sich einen sehr technischen, instrumentalen und in Richtung Death Metal gewichteten Progmetal auf die Fahnen geschrieben, den sie sehr selbstversunken ihrem Publikum, das ganz offensichtlich gut mit ihrem 2019er DebĂŒt ‚Transmutation Circles’ vertraut ist, prĂ€sentieren…

EXANIMATVM – Sollvm Ipsa Mor

Ob Punta Arenas, die sĂŒdlichste Stadt der Welt, ganz unten an der Spitze des Kontinents im windgepeitschten, eisigen und kargen subantarktischen SĂŒden Chiles gelegen, durch das riesige Eisschild abgeschnitten und isoliert vom Rest des Landes, nĂ€her an R’lyeh liegt als irgendein anderer Ort der Welt? Lauscht man EXANIMATVM, so drĂ€ngt sich dieser Gedanke schnell auf, zumal wenn man wie ich ein Jahr lang dort an der Magellanstrasse gelebt hat und die Gegend daher kennt. Zumindest ist die berĂŒchtigte Isla Dawson nicht weit entfernt, genutzt als GefĂ€ngnisinsel zuerst fĂŒr die Ausrottung der Ureinwohner und spĂ€ter im Pinochet-Regime als Folter- und Konzentrationslager fĂŒr Oppositionelle. Ein rauher, unwirtlicher, karger und kaum besiedelter Fleck Erde in grandioser, wunderschöner Natur, dem lange ĂŒbel mitgespielt wurde, bevor er als Touristendestination in unmittelbarer Nachbarschaft zu Feuerland, Kap Hoorn und dem Torres del Paine-Nationalpark sowie als Hafen fĂŒr Antarktiskreuzfahrten Aufwind bekam.

Die Winter sind lang, dunkel und kalt, Tier und Mensch mĂŒssen sich der rauhen Natur anpassen, um zu ĂŒberleben. Diese Einsamkeit, das auf sich selbst gestellt und ausgeliefert sein an die Elemente findet sich im Death Metal EXANIMATVMs stets wieder, der von dĂŒsterster AtmosphĂ€re nur so strotzt. ‚Sollvm Ipsa Mor’ ist die zweite full length des 2013…

DOOL im 7er Club Mannheim

Nachdem sie ihre „Summerland-Tour“ mehrfach verschieben mussten, packen DOOL nun soviele Clubdates zwischen ihre Festivalauftritte wie nur möglich, und gaben auf der RĂŒckfahrt vom In Flammen-Open Air auch dem Mannheimer 7er Club die Ehre. Wie es aktuell eben so ist und typisch fĂŒr Sonntagabende, konnte im Publikum soviel Abstand gehalten werden wie man eben mag – zumindest weiter hinten, es hĂ€tten sich ruhig noch ein paar Nasen mehr auf den Weg machen können. Doch der Stimmung tat dies keinerlei Abbruch, direkt vor der BĂŒhne gab’s Konzertfeeling wie gewohnt, und mal ehrlich: wann kommt man heutzutage noch so nah ran an die Bands? Ein grossartiger Abend konnte beginnen



der natĂŒrlich den Schwerpunkt auf den deutlich nachdenklicheren Zweitling legte und im Handumdrehen bewies, dass bei DOOL jeder Song in der Liveversion einfach explodiert, zu sehr ist die Band mit ihrer Musik eins und geht völlig in ihr auf, zu stark ist der Sog der Songs, der nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Musiker selbst gefangennimmt. Sie steigen ein mit ‚Wolf Moon’ und drehen sofort voll auf, ziehen die Geschwindigkeit wie live ĂŒblich deutlich an und erhöhen die IntensitĂ€t mit jedem StĂŒck aufs Neue…

CHAOS DESCENDS is back!!!

Das schönste, idyllischste und abgefahrenste deutsche Undergroundfestival kehrt in einer guten Woche auch endlich wieder zurĂŒck, und damit 3 Tage geilste Musik, beste Menschen und vor allem: kein Handyempfang!
Das Ferienland Crispendorf bietet nicht nur eine wunderschön abgelegene Lage im thĂŒringischen Wisentatal, Camping im GrĂŒnen, Ex-Pionierlagerflair, eine weltweit einmalige Poolstage, traumhafte Erdbeerbowle aus dem Aquarium, sondern vor allem auch eine tiefenentspannte, familiĂ€re Stimmung und: eine Bimmelbahn, die durch den Campingplatz und direkt am FestivalgelĂ€nde entlangschnauft… choo choo…
CHAOS DESCENDS, das bedeutet weiterhin eine handverlesene Bandauswahl, stets tief im Untergrund verwurzelt, dem Death-und Blackmetal genauso verpflichtet wie Thrash und klassischem Heavy Metal, dazu Extravagantem aus Doom, Psych, Okkultrock sowie Electronica – eine solche Mischung gibt’s sonst einfach nirgends…

Wer ist nun 2022 so alles dabei? Aus der Schweiz und Finnland kommen SUM OF R mit ihrem experimentellen, dronigen Doom, HAGZISSA aus Linz bringen „Old Witching Black Metal“ mit. SNĚƀ aus Prag haben Death Metal im GepĂ€ck, genau wie VENEFIXION aus der Asterix-Hood, die fĂŒr CONCRETE WINDS einspringen. Aus Italien reisen zwei Bands…

APTERA – You Can’t Bury What Still Burns

Sludgiger Doom, aber keine Testosteronspielchen. Klassischer Heavy Metal, aber null Pathos. Thrashiges Fauchen und Riffen, aber keine Angst vor progressiven Strukturen. Psychedelischer Stoner Rock, aber ohne BlĂŒmchen im Haar. Und zu all dem eine grosse Portion dreckiger PunkattitĂŒde, das sind APTERA aus Berlin. Unschwer zu erkennen haben die Vier, von denen keine aus Deutschland stammt, sich von Anfang an in ihrer eigenen Nische eingerichtet, wie es so wohl nur in der Hauptstadt möglich ist, wo Genrecrossover quasi bei BandgrĂŒndung schon Programm ist.

Nach einem ersten Lebenszeichen per selbstbenannter EP hat das Quartett die Isolationszeit der letzten beiden Jahre gut genutzt und ein DebĂŒtalbum an den Start gebracht, das aufhorchen lĂ€sst. Und zwar nicht nur musikalisch, sondern weil hier vier junge Frauen einfach das machen, was sie wollen, und man(n) das auch jederzeit hört. Sie sind der Gegenentwurf zu jeder zusammengecasteten Girlband, und erst recht zu den „female fronted“ Bands, bei denen eine Alibifrau maximal ans Mikro darf. APTERA klingen und sind wild & frei, analog und dissonant, sie wollen niemandem gefallen – ausser sich selbst, und das ist gerade in den heutigen Backlash-Zeiten absolut ein Statement. Kein Wunder, dass bereits der Albumeinsteiger den vielverheißenden Namen ‚Voice of Thunder’ trĂ€gt, und ihm auch alle Ehre macht…