Schlagwort: Doom Metal

CULTHE FEST 2023 – Festivalbericht

Dass das CULTHE FEST eine durch und durch leidenschaftliche DIY-Veranstaltung voller Idealismus, Engagement und Herzblut ist, haben wir ja schon HIER in unserer Vorschau betont, die sich alle leider-bisher-noch-nicht-CulthistInnen zwecks Vermeidung von Wiederholungen zuerst einmal zu Gemüte führen sollten, bevor sie nun diesen Festivalbericht goutieren. Und wenn ihnen dann bewusst wird, was da seit zehn Jahren in schöner Regelmässigkeit, wenn auch zuletzt unterbrochen durch die Pandemie, zwei FeierTage lang im Haverkamp in Münster so alles los ist, werden echte Untergrund-Extremmetalfans ab sofort das Osterwochenende für einen Besuch in Westfalen reservieren, wie es eingefleischte (ist das heutzutage eigentlich noch eine valide Formulierung? Ich zumindest erinnere mich eher an die genialen Falafelrollos vom Al Hayat-Wagen im Hof…) Fans schon seit einigen Jahren tun…

Das Festival beginnt eigentlich schon nach dem Gang zum Briefkasten, wenn die Post mit den Karten eingetroffen ist – in einem so liebevoll handbeschrifteten Umschlag, wie auch das Musik- sowie das Rahmenprogramm des CULTHE FESTs kuratiert werden. Schön gestaltete Flyer und Sticker begleiten die Tickets und es würde nicht wundern, wenn dem Brief auch Weihrauch- oder vielleicht besser Lovecraftscher, unaussprechlich culthiger Schwefeldunst entströmen würde, passen würd’s allemal! Da ja graphische KünstlerInnen genauso Teil des Festivals sind wie die Bands, kann der Veranstalter Culthe Collectiv e.V. diesmal auch gleich auf diverse Designs für…

ǤỨŔŪ – Nova Lvx

Brittany in the Northwest of France is not only famous for its magnificent and wild landscape, a millennia-long tradition of stubborn and proud inhabitants who defended their culture against all foreign influences (and would never say no to merry victory celebrations with roasted wild boar), but also has a very lively black metal scene, and that is from where ǤỨŔŪ are hailing. Founded in 2020 during the strange and dull times of the pandemic, the five-piece has expanded the usual black metal roots to dig into something slower, but even more deep and atmospheric by including melodic heavy and doomy elements to their dissonant, feverish riffing and blasting without denying their classic Black Metal background.

‘Nova Lvx’ is their debut album and surprises listeners not only with the most intricate and not to be outdone use of diacritical signs in their band name, but also four rather complex longtracks, an almost philosophical approach to their topic and vocals which totally stand out of your usual screaming and growling. In contrast, bandleader Jerry is not only throat singing and growling, but mainly using theatralic opera-style vocals which gives the sound of Guru something outerworldly, crazy and very eccentric, by at the same time staying true to their genre-defining blastbeats and…

BACCHUS – II

Bacchus, der römische Gott der Ausschweifung, Fruchtbarkeit und Ekstase, des Wahnsinns und natürlich des Weines, leitet sich dank seines ausgelassenen und meist lärmenden Gefolges von „Bakchos“, dem „Rufer“ oder „Geschrei“ ab, einem Beinamen seines griechisches Pendants Dionysos. Berauschte Menschen äussern ihre Lebensfreude nun mal gern laut und vor allem singend, und es ist ihnen dabei egal, ob sie die Töne oder Texte treffen. Nüchterne Zeitgenossen nennen sowas auch mal gröhlen, verkennen jedoch den seelisch reinigenden, verschwisternden und gruppendynamischen Effekt, den gemeinsamer lauter Gesang hat. Nicht umsonst weiss der Volksmund: „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“, und das wissen auch die französischen Blackmetaller von BACCHUS, deren Albumdebut nun vorliegt.

Sie operieren auf dem pragmatisch ‚II’ benannten und entsprechend durchnumerierten Langdebüt (2021 wurde als erstes Lebenszeichen bereits eine selbstbenannte EP veröffentlicht) an der Grenze zwischen instrumentaler und vokaler Musik, denn Stimmen werden meist textfrei, wie weitere Instrumente und entsprechend dosiert innerhalb des Bandzusammenklangs eingesetzt, der durch viele Ambient-Anteile, flirrende Gitarrenflächen und stark reduziertes…

CULTHE FEST 2023 – Vorschau

Das Culthe Fest um Ostara, der Frühjahrs-Tag-und-Nacht-Gleiche, herum zu veranstalten, kann schon als Hinweis auf die Gesinnung der Veranstalter verstanden werden, die in einer Welt des schönen Scheins die Dunklen Künste feiern, und das bereits seit 2014, damals noch unter dem Banner des als Unaussprechliche Culthe Festivals und als absolute DIY-Veranstaltung – woran sich bis heute nichts geändert hat. Nach der pandemiebedingten Pause geht es nun weiter mit Black-, Death, Doom, Drone und den entsprechenden Post-Schienen, an zwei Tagen und mit drei Bühnen, Sputnikhalle und Triptychon, sowie dem kleineren Café Sputnik.

Mittlerweile steht auch die Running Order, 18 Bands aus sieben Ländern werden dieses Jahr auftreten, mit ULTHA und THE RUINS OF BEVERAST als Headliner am Samstag bzw. Sonntag, wobei sich das restliche handverlesene LineUp genauso sehen lassen kann und ein weites Spektrum zwischen Black Metal diverser Spielarten, Death Metal, Doom, Punk, Ambient, Drone sowie Dark Folk und Singer/Songwritern abdeckt. Besonders fair: jede Band spielt mindestens 45 Minuten, und es gibt keine Überlappung zwischen den drei Bühnen, sondern sogar noch Päuschen zwischen den Auftritten, so dass tatsächlich die Möglichkeit besteht, alles zu sehen und trotzdem eine entspannte Zeit zu haben – wo bitte gibt es das sonst?
Die leiseren, feine Töne sind am besten im Triptychon aufgehoben, dort finden neben den beiden Lesungen die akustischen…

MDXX – MDXX

Kaum zurück aus den Wäldern des vorigen Reviews, sind wir schon wieder in Stockholm. In welchem Zeitalter der Menschheitsgeschichte wir uns befinden soll erst einmal egal sein. Und abermals erklingen Gitarrenmelodien, fast zu schön um wahr zu sein, zu eingängige Songs und zu gelungene Arrangements zwischen Doom, klassischem 80er Metal und 70er Hardrock, jedoch mit einer ständig im Hintergrund lauernden, sinistren, okkulten und deutlich eingeschwärzten Schlagseite, die das Ganze jedoch gerade noch interessanter macht – da muss doch der Teufel seine Hände im Spiel haben! Kaum gedacht, hören wir tatsächlich schon vom gefallenen Gott und seiner neu gezeugten Kreatur, die die Menschheit ausradieren soll vom Angesicht seiner Schöpfung, und hätten wir’s nicht bereits vor anderthalb Jahrzehnten unweit im selben Lande erlebt, man könnte den Eindruck haben, hier würde sich eine Geschichte wiederholen…

1520 war ein Schlüsseljahr in der Geschichte Schwedens und seines Freiheitskampfes um Unabhängigkeit von Dänemark, das seit Ende des 14. Jahrhunderts die Herrschaft über ganz Skandinavien und Island innehatte. Es endete am 7. November 1520, drei Tage nach der Krönung des Dänenkönigs Christian II., Sieger im Unabhängigkeitskrieg…

MESSA und JULINKO – Tourstart 2023 in Karlsruhe

Ich kann es nicht oft genug sagen: Leute, geht auf Konzerte, nur das ist das wahre Leben! Nicht nur dass man immer unerwartete Leute wiedertrifft, mit Freunden zusammenkommt und einfach Spass miteinander hat, man lernt auch ständig tolle neue Bands kennen – wie heute JULINKO, eine Solokünstlerin ebenfalls aus dem Veneto, die MESSAs diesjährige Mitteleuropa-Tour eröffnet. Ich wusste zuvor nicht mehr als dass es poetisch werden sollte mit ihr, aber tatsächlich wurde es transzendental, ihr Auftritt fand in einer anderen Sphäre statt, entführte in ihre Phantasiewelt mit all ihrem Licht und Schatten.

JULINKO arbeitet mit ihrer Stimme, ihren Gitarren, Effekten, sparsamer Percussion und vor allem mit Loops, doch wer nun an LILI REFRAIN denkt, liegt falsch, obwohl es zweifellos Parallelen zwischen den Beiden gibt. Sie nutzt bei dem heutigen Auftritt ihre Stimme wie ein weiteres Instrument, und da ist sie eine Virtuosin. Sie zirpt, zittert, bebt, lässt die Töne durch Kopf, Kehle und Brust wandern und wird selbst zum Stimmorgan, ihrem Experimentieren sind dabei keine Grenzen gesetzt. Dazu begleitet sie sich auf der Gitarre, die sie ebenfalls auch gerne unkonventionell für ewig wabernde Drones und andere eindrucksvolle Effekte benutzt. Es ist eine Exploration des hörbaren Raumes, seine Grenzen…

SCÁTH NA DÉITHE – Virulent Providence

Gibt es so etwas wie ein generationenübergreifendes Traumagedächtnis? Was geben Eltern ihren Kindern an Lebenserfahrung unbewusst rein durch Vererbung, nicht durch Erziehung, weiter? Verändern Ereignisse der Vergangenheit auch die Erbinformationen, wie es Mutationen tun? Nach der Entdeckung der DNA in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts galt lange das Dogma, dass alle Zellen des Körpers genau denselben Satz identischer Chromosomen enthalten und daher alle Erbinformationen, sei es bei Pflanzen, Tieren oder anderen Organismen, ausschliesslich über die evolutionär sehr stabile DNA-Sequenz zwischen den Generationen weitergegeben werden. Genaue Beobachter misstrauten jedoch schon früh dieser Annahme, die sämtliche Einflüsse der Umwelt auf die Gene aussen vor liess. Heute gibt es einen eigenen Forschungszweig, die Epigenetik, die untersucht, wie sich Umwelteinflüsse von den Vorfahren auf die folgenden Generationen auswirken, denn dass Faktoren wie frühkindliches Trauma, Fehl- oder Unterernährung oder die Einwirkung von Umweltgiften dies tun, ist lange bekannt, und auch die genetischen Mechanismen, wie dies vor sich geht, konnten mittlerweile entschlüsselt werden.
Es gibt also sogar auf molekularer Ebene, in jedem von uns, ein kollektives Menschheitsgedächtnis, wie es von Psychologen und auch Physikern lange postuliert wurde, C.G. Jung nannte es das “Kollektive Unbewusste”, in dem das…

TRIBUNAL – The Weight Of Remembrance

Der Begriff “Doom & Gloom” wird gerne als Schwarzmalerei ins Deutsche übersetzt, als Katastrophenmeldung oder Weltuntergangsstimmung – wie passend für einen düsteren, schweren Musikstil. Gäbe es „Gloom Doom“1 tatsächlich, das neue kanadische Duo TRIBUNAL wären sicherlich Vorreiter dieses Subgenres. Ihr Debüt ‚The Weight Of Remembrance’ ist seit ein paar Tagen erhältlich, und ich habe mich beim ersten Hören kurz vom bekannten Regen-und-Kirchenglocken-Beginn täuschen lassen, der jedem Doomjünger der alten Schule die Freudentränen in die andächtig geschlossenen Augen treibt, doch diese Reminiszenz an die Gottväter des Genres aus Birmingham muss als respektvolle und tiefe Verbeugung einer Band gedeutet werden, die weiss auf welch historischem Boden sie sich bewegt bei ihrer Reise in die Zukunft; zumal sie dieses Vermächtnis, was die Rhythmusarbeit angeht, auch durchgehend mit stampfender Heavyness und konsequent sehr niedrigen BPMs zelebriert.
Doch zurück zum Opener ‚Initiation’, der Regen wird schnell abgelöst vom eindringlichen Cello der klassisch ausgebildeten Soren Mourne, die auch den Bass bedient und vor allem den Klargesang übernimmt, die musikalische Marschrichtung wird dadurch sofort gebrochen und neu definiert, MY DYING BRIDE kommen in den Sinn, später auch DRACONIAN sowie A FOREST OF STARS, denn Gothic- und Death-, sogar Black Metal-Einflüsse machen den wahren…

AHAB – The Coral Tombs

Ein Mann, zwischen mitfühlendem Humanismus und abgrundtiefem Hass auf die Menschheit zerrissen. Von Forschergeist, Kunst- und Naturbegeisterung genauso angetrieben wie von einem unstillbaren Durst nach Rache und Vergeltung. Genial, geistig hellwach und voller innovativer Ideen, doch innerlich tot, seit er seine Lieben, seine Vision für eine bessere Welt, einfach alles verlor, was sein Leben ausmachte – wer könnte besser für die extremen Kontraste in der Musik von AHAB stehen als le capitaine Nemo, Kommandant der „Nautilus“, der seine Toten auf dem tropischen Meeresgrund begräbt, wo Korallenpolypen sie allmählich in lebenden Särgen einschliessen?

‚The Coral Tombs’, das Covermotiv ist der Korallenfriedhof aus „20.000 Meilen unter den Meeren“, Jules Vernes bekanntestem maritimem Roman, denn diese unterseeische Reise durch alle Weltmeere ist diesmal die literarische Vorlage für das fünfte Album der Nautik Doomer und Begründer dieses Funeral Doom-Subgenres. Doch überraschend schwarzmetallisch melden sich die Süddeutschen zuerst einmal mit einem turbulenten Blastbeat-, Schrei- und Riffgewitter aus ihrer achtjährigen Pause zurück, nämlich mit dem rasant vertonten Angriff des ersten Unterseeboots der Literaturgeschichte auf das Expeditionsschiff von Professor Aronnax und seinen Gefährten. So wie ein Schiff-…