Schlagwort: Ambient

EITRIN – Eitrin

So langsam beunruhigt mich die offensichtlich in Mode gekommene starke Affinität französischer Bands aus dem Black Metal-Spektrum zu potent tödlichen Substanzen. Waren es bei THOD noch infektiöse Agenzien wie Viren und Bakterien, die meist fatal endende Krankheiten auslösen, gehen EITRIN den direkteren und schnelleren Weg über letale Gifte, teils natürlicher, teils menschlicher Herkunft; und das ist auch bereits in ihrem Band- oder zumindest Projektnamen versteckt, ist es doch das isländische Wort für Gifte… und gleichzeitig der offizielle Firmenname von DMP: Eitrin Editions.
So spät wie ich mit meinem Review dran bin, sieht es mittlerweile tatsächlich so aus, als ob aus dem Projekt zur Feier von nunmehr zwei Dekaden Debemur Morti Productions/DMP  eine neue All-Star-Band geworden ist, zumindest lassen Vindsvalsche Social Media-Kommentare solches vermuten. Und das wird all die freuen, die das selbstbenannte Debüt bereits kennen- und schätzen gelernt haben. Einer der drei Protagonisten ist damit bereits genannt, hört man in die Platte hinein ist sein Spiel und stilistischer Einfluss auch schwerlich zu leugnen, auch wenn EITRIN mit BLUT AUS NORD weit weniger zu tun hat als der Beitrag und Trademarksound von Vindsval (und dem ungenannten ebenfalls bei BAN…

BACCHUS – II

Bacchus, der römische Gott der Ausschweifung, Fruchtbarkeit und Ekstase, des Wahnsinns und natürlich des Weines, leitet sich dank seines ausgelassenen und meist lärmenden Gefolges von „Bakchos“, dem „Rufer“ oder „Geschrei“ ab, einem Beinamen seines griechisches Pendants Dionysos. Berauschte Menschen äussern ihre Lebensfreude nun mal gern laut und vor allem singend, und es ist ihnen dabei egal, ob sie die Töne oder Texte treffen. Nüchterne Zeitgenossen nennen sowas auch mal gröhlen, verkennen jedoch den seelisch reinigenden, verschwisternden und gruppendynamischen Effekt, den gemeinsamer lauter Gesang hat. Nicht umsonst weiss der Volksmund: „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“, und das wissen auch die französischen Blackmetaller von BACCHUS, deren Albumdebut nun vorliegt.

Sie operieren auf dem pragmatisch ‚II’ benannten und entsprechend durchnumerierten Langdebüt (2021 wurde als erstes Lebenszeichen bereits eine selbstbenannte EP veröffentlicht) an der Grenze zwischen instrumentaler und vokaler Musik, denn Stimmen werden meist textfrei, wie weitere Instrumente und entsprechend dosiert innerhalb des Bandzusammenklangs eingesetzt, der durch viele Ambient-Anteile, flirrende Gitarrenflächen und stark reduziertes…

THE LΩVECRAFT SEXTET – Black†White (EP)

Ein kurzes, aber umso geschmackvolleres mehr Free Jazz- als Doomhäppchen mit Black Metal-Cuvée serviert uns der nimmermüde Jason Köhnen (BONG-RA, MANSUR, ex-THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE, CELESTIAL SEASON, THE ANSWER LIES IN THE BLACK VOID) mit den zwei Songs ‚Black’ und ‚White’ der gleichnamigen 7“ direkt nach der “first ever recorded Doomjazz Blackmass“ namens ‚Miserere’.

Eher eine Single als als eine echte EP, inspizieren die beiden rein instrumentalen Songs von ‚Black†White‘ (fast rein instrumental, ‚White’ hat wenige Sprechvocals à la ‚Miserere’) die Ursprünge und Inspirationen des Blackjazz. Multiinstrumentalist Köhnen, wiederum unterstützt von Colin Webster am Saxophon, zieht Parallelen zwischen den spirituellen und stilistisch sehr offenen Saxophonisten und Free-Jazz-Wegbereitern Albert Ayler sowie Pharoah Sanders, und dem spacig-okkulten prä-Warmetal der Finnen BEHERIT, die sich nicht scheuten, elektronische Elemente in ihre rohe Black Metal-Gangart zu integrieren. Ähnliche Gedanken hatte John Zorn, als er NAPALM DEATHs Frühwerk beobachtete und in der Folge zusammen mit deren ehemaligem Schlagzeuger Mick Harris und Bill Laswell die Intensität und Geschwindigkeit von Grindcore mit Ambient, Noise und Jazz zu PAINKILLER verschmolz…

MESSA und JULINKO – Tourstart 2023 in Karlsruhe

Ich kann es nicht oft genug sagen: Leute, geht auf Konzerte, nur das ist das wahre Leben! Nicht nur dass man immer unerwartete Leute wiedertrifft, mit Freunden zusammenkommt und einfach Spass miteinander hat, man lernt auch ständig tolle neue Bands kennen – wie heute JULINKO, eine Solokünstlerin ebenfalls aus dem Veneto, die MESSAs diesjährige Mitteleuropa-Tour eröffnet. Ich wusste zuvor nicht mehr als dass es poetisch werden sollte mit ihr, aber tatsächlich wurde es transzendental, ihr Auftritt fand in einer anderen Sphäre statt, entführte in ihre Phantasiewelt mit all ihrem Licht und Schatten.

JULINKO arbeitet mit ihrer Stimme, ihren Gitarren, Effekten, sparsamer Percussion und vor allem mit Loops, doch wer nun an LILI REFRAIN denkt, liegt falsch, obwohl es zweifellos Parallelen zwischen den Beiden gibt. Sie nutzt bei dem heutigen Auftritt ihre Stimme wie ein weiteres Instrument, und da ist sie eine Virtuosin. Sie zirpt, zittert, bebt, lässt die Töne durch Kopf, Kehle und Brust wandern und wird selbst zum Stimmorgan, ihrem Experimentieren sind dabei keine Grenzen gesetzt. Dazu begleitet sie sich auf der Gitarre, die sie ebenfalls auch gerne unkonventionell für ewig wabernde Drones und andere eindrucksvolle Effekte benutzt. Es ist eine Exploration des hörbaren Raumes, seine Grenzen…

WINTER FIRES: The Heirs of Haunted Nights – An EISENWALD Label Compilation 2022

Der Winter nimmt in unseren Breiten ja erst im Januar und Februar so richtig Fahrt auf und schickt mit seiner Kälte alles zurück in den eigenen Bau, somit kommt dieser feine zweite Labelsampler der Eisenwald Tonschmiede gerade recht, um es sich im verschneiten Waldhäuschen genauso wie in der Stadtwohnung mit einem Tee gemütlich zu machen und die neunzehn Tracks zu geniessen, die die Ernte eines ganzen Labeljahres umfassen. Auch wenn jeder Black Metal/Dark Folk-Fan sowieso Eisenton-Bands im Regal stehen hat, das gesamte aktuelle Label Roster kennt wohl kaum jemand, und so hat ein derartiger Überblick gleich mehrere Nutzen, nämlich neue Bands kennenzulernen und gleichzeitig einen besseren Eindruck davon zu bekommen, was Eisenwald als Label ausmacht.

Der Fokus der Eisenacher liegt grundsätzlich auf den „Finest Dark Arts“, so auch das Labelmotto, was sich übersetzen lässt in Extrem-, vor allem jedoch Black Metal, gern mit okkulter, folkloristisch-paganer oder mittelalterlicher Nuance und die an ihn angrenzenden Genres mit entsprechender Ästhetik wie Ambient- und Post-Black Metal sowie Dark Folk, ohne sich bei seinen Signings hierdurch limitieren zu lassen. „Finest Dark Arts“ bedeutet jedoch auch, einen hohen Anspruch an die Gestaltung der eigenen Produkte zu haben, das Valkenstijn-Artwork von ‚Winter Fires’ spricht hier für…

BLUT AUS NORD – Lovecraftian Echoes

Erst im Mai beglückte Vindsval uns mit dem letzten BLUT AUS NORD-Album zum Thema der Grossen Alten, ‚Disharmonium – Undreamable Abysses’, da kommt kein halbes Jahr später schon dessen Widerhall auf den Markt? Nein, so einfach ist es in mehrfacher Hinsicht nicht. Die ‚Lovecraftian Echoes’ entstanden zwar in einem ähnlichen Zeitraum wie die letzte LP und bewegen sich ebenfalls im Kosmos des amerikanischen phantastischen Autors, haben jedoch eine völlig andere Ausrichtung, Zielsetzung und vor allem einen komplett anderen Hintergrund.

Die sechs Stücke sind nämlich allesamt schon einmal, und zwar einzeln, veröffentlicht worden, waren seinerzeit jedoch nur einem kleinen Kreis von BAN-Verehrern zugänglich, die gegen einen gewissen Obolus zwei Jahre lang, von Anfang 2020 bis 2022, Mitglieder des „Order of Outer Sounds“ (oder OoOS), einer exklusiven, von Debemur Morti Productions ins Leben gerufenen Fan- und Forumsgemeinschaft waren. Daher handelt es sich bei den ‚…Echoes’ auch um eine Compilation, und kein vollwertiges, neues BAN-Album, die nagelneue projekteigene Facebook-Seite „The Lovecraftian Echoes” lässt jedoch weitere zukünftige Aktivitäten innerhalb eines eigenen Spin-Offs erwarten…

PANZERFAUST – The Suns of Perdition, Chapter III: The Astral Drain

Don’t judge a book by it’s cover – und lass dich nie mehr von einem unappetitlich martialischen deutschen Bandnamen bei fremdsprachigen Bands abschrecken! Dass ich um PANZERFAUST bisher einen grossen Bogen gemacht habe, reut mich nun, denn das vorliegende Album lief mir vom ersten Spin an extrem gut rein, und da es sich um den dritten Teil einer Tetralogie handelt, musste ich natürlich nachsitzen und mir zumindest die beiden Vorgänger draufschaffen. Selbst schuld! Oder eher – zum Glück noch rechtzeitig begriffen?

Die ersten beiden Teile, ‚The Suns of Perdition: Chapter I – War, Horrid War’ und Chapter II: Render Unto Eden’, unterscheiden sich so stark voneinander wie vom nun vorliegenden dritten Teil, der mir persönlich am meisten entgegenkommt – hätte ich mit dem themenentsprechend extrem brutalen und zwischen Bösartigkeit, Aggression, Verzweiflung und Qual pendelnden ‚War, Horrid War’ begonnen, wer weiss, ob ich am Ball geblieben wäre. Krieg und alle seine Werkzeuge und Schrecken werden hier so dermassen drastisch vertont und verarbeitet, dass entsprechend harte Kost dabei herauskommt. PANZERFAUST haben verschiedene Kriegsszenarien der Neuzeit herangezogen, besonders…