Schlagwort: metal

UNHOLY PASSION FEST VI

Unholy passion I feel for you…, dieser Ohrwurm wird seit dem vergangenen Wochenende viele beglücken, die zur jährlichen Düstermesse, dem UNHOLY PASSION FEST VI, ins Gebäude 9 gepilgert waren. Zum ersten „richtigen“ Festival nach der Corona-Zwangspause, folglich auch als sechstes gezählt und wie immer von ULTHA mit befreundeten oder neu entdeckten Bands organisiert. Und wer bisher nicht wusste, wieso das Ganze eigentlich so heisst, konnte heute seine entsprechende Lektion lernen, aber dazu später…

Bis auf eine Handvoll Karten ausverkauft ist dieser kalte Kölsche Winterabend, so sehr ist das erste Dezemberwochenende Fixpunkt im Kalender der Fans, ein Abend, an dem immer wieder ganz Spezielles geboten wird und den man daher nicht verpassen will, zu dem aber auch regelmässig Leute aus ganz Europa kommen, die sich zur ULTHA-Familie zählen. Darauf, dass das Lineup passt, kann man sich verlassen, trägt die Bandauswahl doch stets die Handschrift dieser fünf Musiker und ist damit innovativ, ausgefallen und vor allem hochklassig. Drei Bands haben sie diesmal eingeladen, eine davon war bereits im Frühjahr mit den Kölnern unterwegs – UNRU aus Berlin, die mit Lars sogar eine personelle Überlappung haben. Wer auf der UNRULTHA-Tour dabei war, hat erlebt wie gut beide Bands…

SONJA – Loud Arriver

Die meisten Menschen leben bis zum Tod mit dem Namen, der ihnen von ihren Eltern gegeben wurde, doch immer mehr wählen irgendwann passend zu ihrer wahren Identität einen, der das ausdrückt, wer sie wirklich sind. Melissa Moores Vorname ist natürlich viel mehr als nur eine Reminiszenz an das epochale MERCYFUL FATE-Debüt und Ausdruck ihres durch und durch vom Heavy Metal geprägten Lebens, sagt jedoch auch sehr viel über ihre Persönlichkeit aus. Dasselbe tut ‚Loud Arriver’, ein Debüt, das man so von drei bisher fest im extremen US-Black/Thrash/Death Metal verwurzelten MusikerInnen nicht erwartet hätte.

Dreh- und Angelpunkt bei SONJA ist Melissa Moore, ebenso aktiv als Donna Violence bei den blasphemischen CROSSSPITTER, bei den Thrashern RUMPELSTILTSKIN GRINDER und einem grösseren Publikum bisher vor allem bekannt als Vis Crom, langjähriger Gitarrist und Songwriter bei ABSU. Es war fast unmöglich, das erbärmliche Schmierentheater um Moores Rauswurf von den texanischen Occult-Blackthrashern zu ignorieren, nach ihrem öffentlichen Einsatz gegen die 2018 von den Republikanern unter Trump geplante extrem restriktive Gender-Gesetzesnovelle, die die gesellschaftliche Stimmung gegenüber Transgendern in den USA noch aggressiver als bisher…

GOTT – To Hell To Zion (EP)

Der Tod, so schmerzhaft er auch ist, ist Teil des Lebens und seines ewigen Zirkels von Werden und Vergehen. Als Michiel Eikenaar am 12. April 2019, mitten während des Roadburn Festivals, nur zweiundvierzigjährig seinem Krebsleiden erlag, war auch die Niederländische (Black) Metal-Szene tief erschüttert. Seine ehemalige Band DODECAHEDRON, das NL-BM-Allstar-MAALSTROM-Projekt und auch MOLASSES widmeten dem Tilburger ihre dortigen Auftritte, aber der Verlust des charismatischen, beliebten und umtriebigen Frontmannes hinterliess eine riesige Lücke, für viele seiner Freunde eine tiefe Wunde, die nur schwer verheilt.

Angesichts eines solchen Todes stellen Menschen seit Urzeiten die Frage nach der Existenz Gottes, und Dave van Beek (GGU:LL, ex- DODECAHEDRON), einer von Michiels engen Freunden, nahm dessen Tod und auch die Zeit der Pandemie zum Anlass, ein eigenes Gartenstudio namens “The House Of Doom” zu bauen sowie eine neue Band für Kompositionen, die nicht in seine anderen Kapellen passten, zu gründen, um zusammen diesen grossen Verlust zu verarbeiten. Die Single ‚Axiom VI’ war im Sommer 2019 das erste Lebenszeichen von GOTT, ein ergreifendes Lied über den Tod und vor allem, wie das gesamte Bandschaffen, eine Hommage an Eikenaar. Nun kommt ihre erste EP ‘To Hell To Zion’, auch auf Vinyl…

IMPERIAL TRIUMPHANT & PI live in Straßburg

Ein heisser Hochsommertag in Straßburg, das Zentrum zwischen Kathedrale und La Petite France platzt fast vor lauter Touristen, und auch eine kleine Reisegruppe aus New York City ist für einen Abend hier, um die eigene Megacity auf ihre Art zu besingen – mit den Mitteln von Black und Death Metal sowie einem guten Schuss Jazz. IMPERIAL TRIUMPHANT sind auf grosser ‘Mother Of Greed’-Europatour mit insgesamt 27 Auftritten auf diversen Festivals und in mittelgrossen Clubs. Noch sind sie bei uns nur Insidern bekannt, doch ihr aktuelles und fünftes Album ‚Spirit Of Ecstasy’ sollte das nun schnell ändern, es wird auf jeden Fall in diversen Jahresendlisten zu finden sein.

Doch zuerst will der Weg ins erst vor zwei Jahren neu eröffnete La Maison Bleue im Süden der Stadt gefunden werden, und so kommt es, dass ich von PI, die sehr pünktlich gestartet sind, nur noch den Rest des Auftrittes zu hören bekomme. Das multinationale Trio hat sich 2015 hier in Straßburg gegründet und besteht aus dem Mexikaner Guillermo González an der Neunsaitigen, Guido Pedicone aus Argentinien am fretless Bass sowie Lokalmatador Ludovic Muller am Schlagzeug. Die drei haben sich einen sehr technischen, instrumentalen und in Richtung Death Metal gewichteten Progmetal auf die Fahnen geschrieben, den sie sehr selbstversunken ihrem Publikum, das ganz offensichtlich gut mit ihrem 2019er Debüt ‚Transmutation Circles’ vertraut ist, präsentieren…

ULTHA & UNRU live

Wisst ihr noch, wie Bühnennebel riecht? Ich hatte das komplett vergessen, und das hat mir nochmal gezeigt, was die vergangenen zwei Jahre im Höhlen-Rückzugsmodus mit mir gemacht haben. Wie viel ich komplett verdrängt hatte, was zuvor einen riesigen Teil meines Lebens ausgemacht hat, und eben gerade den, der mir am meisten gibt. Livestreams sind schön und gut, aber eben allermeistens auch nur steriles TV, eine Krücke, Musikporno.
Sicher, auch ich habe mich drüber gefreut, in all der seltsamen Zeit Bands auf diese Weise überhaupt mal zu sehen, aber genau das, was Konzerte so auszeichnet, die Vorfreude, die Gemeinschaft, das Leute treffen und reden, und vor allem die immer wieder neu und anders entstehende Energie zwischen Band und Publikum, das Grummeln der Bässe in den Füssen, das sich auch körperlich in die Musik fallen lassen, die Entdeckungen am Merchtisch und natürlich auch der Nackenmuskelkater am Tag danach – all das fehlte mehr als schmerzhaft.

Umso besser, dass sich bei der UNRULTHA-Tour nun alle Beteiligten Riesendosen an Nebel einfahren konnten, und natürlich auch alles andere, was eben so dazugehört. Neun Dates in Deutschland mit kurzen Abstechern nach Holland und Österreich, so kann man seine Osterferien auch verbringen, vor allem wenn man mit Freunden unterwegs ist…

UNRULTHA Tour 2022

Kommenden Freitag startet in Berlin für alle, die noch einen viel zu lang ungenutzten Vorrat an Schmerzsalbe für die Nackenmuskeln daheim haben, die perfekte Tour, um wieder besser in Form zu kommen: UNRULTHA!

Endlich wieder moderner Black Metal & dessen Genregeschwister live, und so abwechslungsreich und vielschichtig wie nur möglich – atmosphärisch, geblastet, dissonant, episch, mit Punk- und Post-Punk-Vibes von zwei der schweißtreibendsten und tiefe, wilde Trance erzeugenden Formationen hierzulande. Diese Kombination ist nicht nur durch personelle Verflechtungen so naheliegend und bewährt, vor allem speist sie sich aus ganz ähnlichen Energien, und das überträgt sich natürlich auch aufs Publikum. Seid gefasst auf einen düsteren, emotionalen und vor allem sehr, sehr intensiven Abend.

Beide Bands haben brandneue Alben mit besten AOTY-Chancen im Gepäck, UNRU das vielsagende ‘Die Wiederkehr des Verdrängten’ und ULTHA nach zwei Jahren selbstgewählter Pause den meisterhaften Abschluss ihrer Trilogie, die sich von  ‘Converging Sins’ über ‘The Inextricable Wandering’ zu ‘All That Has Never Been True’ (zum Review gehts hier) spannt, womit auszugehen ist, dass auch der eine oder andere neue Song zu hören sein wird. Zudem gibts als Zugabe in manchen Städten…

ULTHA – All That Has Never Been True

ULTHA, das ist entweder ganz oder gar nicht. Als ich 2018 ihrem drittem Album ‘The Inextricable Wandering’ die beiden Möglichkeiten zusprach, es entweder nebenbei zur Unterhaltung und Ablenkung hören zu können oder sich seelisch komplett darauf einzulassen, sich dieser Musik förmlich auszuliefern, habe ich, retrospektiv gesehen, sowohl die weitere Entwicklung der Band als auch die grundsätzliche emotionale Wirkung ihrer Musik unterschätzt. Spätestens ‘Belong’  hat dann gezeigt, dass es bei den Kölnern nur zwei Alternativen gibt: sich völlig öffnen und erleben, was diese so intensive, hochemotionale Musik mit einem macht, das kann herausfordernd sein, heilsam, sogar kathartisch, oder eben absolut nichts damit anfangen können – nein, viel eher: das gar nicht wollen, ihre Wirkung abblocken, weil einem das Unbewusste davon tunlichst abrät, sich mit unangenehmen Erinnerungen und lange verdrängten Erfahrungen zu konfrontieren. Denn die kommen zurück, ob man will oder nicht, durch sie spricht unsere dunkle Seite, die wir gerne übersehen, zu der es manche von uns jedoch regelrecht hinzieht. Und Musik kann der wundertätige Schlüssel dazu sein Dinge zu be- und verarbeiten, für die man keine Worte findet, auch Bandkopf Ralph Schmidt hat dies in vielen Interviews bestätigt…