DØDHEIMSGARD / DHG – Black Medium Current

Als Fan freut man sich auf jede neue Scheibe seiner liebsten Bands, doch es gibt Gruppen, da spitzen wirklich alle im Business, die Musiker, Promoter, Booker, Szenekenner und KritikerInnen die Ohren, weil man von ihnen einfach mehr erwartet – mehr Neues, Ungewöhnliches, Inspirierendes, Experimentelles, ja auch Kontroverses. Die Norweger DØDHEIMSGARD gehörten schon immer zu diesen Bands, und auch ‚Black Medium Current’, DHGs sechstes Album macht da keine Ausnahme. Schon die erste veröffentlichte Single ‚Abyss Perihelion Transit’, siehe das Video unten, machte extreme Lust auf mehr, und nun steht die Veröffentlichung kurz bevor und ich kann sagen – das Warten hat sich absolut gelohnt, ob es im psychedelisch-proggigen Black Metal da 2023 noch eine Steigerung gibt ist unwahrscheinlich. Vielleicht lehne ich mich zu weit aus dem Fenster, aber fĂŒr mich liegt sie als Jahreshighlight und Messlatte schon jetzt auf Augenhöhe mit ORANSSI PAZUZUs 2020er Meisterwerk ‚Mestarin Kynsi’, das damals ebenfalls Mitte April erschien, und das will schon etwas heissen



und ich habe nun die undankbare Aufgabe, meine EntzĂŒckung zu begrĂŒnden. Dabei ist das eigentlich ganz einfach, denn wirklich alles, was auf ‚Black Medium Current’ passiert, findet auf einem schwindelerregend hohen Niveau statt…

BACCHUS – II

Bacchus, der römische Gott der Ausschweifung, Fruchtbarkeit und Ekstase, des Wahnsinns und natĂŒrlich des Weines, leitet sich dank seines ausgelassenen und meist lĂ€rmenden Gefolges von „Bakchos“, dem „Rufer“ oder „Geschrei“ ab, einem Beinamen seines griechisches Pendants Dionysos. Berauschte Menschen Ă€ussern ihre Lebensfreude nun mal gern laut und vor allem singend, und es ist ihnen dabei egal, ob sie die Töne oder Texte treffen. NĂŒchterne Zeitgenossen nennen sowas auch mal gröhlen, verkennen jedoch den seelisch reinigenden, verschwisternden und gruppendynamischen Effekt, den gemeinsamer lauter Gesang hat. Nicht umsonst weiss der Volksmund: „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“, und das wissen auch die französischen Blackmetaller von BACCHUS, deren Albumdebut nun vorliegt.

Sie operieren auf dem pragmatisch ‚II’ benannten und entsprechend durchnumerierten LangdebĂŒt (2021 wurde als erstes Lebenszeichen bereits eine selbstbenannte EP veröffentlicht) an der Grenze zwischen instrumentaler und vokaler Musik, denn Stimmen werden meist textfrei, wie weitere Instrumente und entsprechend dosiert innerhalb des Bandzusammenklangs eingesetzt, der durch viele Ambient-Anteile, flirrende GitarrenflĂ€chen und stark reduziertes…

TEMPEL WOLF – Hirschgeweihmaskeraden

Der majestĂ€tische Hirsch, Herrscher des Waldes, symbolisiert mythologisch die Sonne und das mĂ€nnliche Prinzip, Stolz, StĂ€rke, Weisheit und Mut. Er weist uns den Weg, auch in andere Welten, unterstĂŒtzt die persönliche Weiterentwicklung, stĂ€ndige Neuerfindung im Rad des Lebens, und stĂ€rkt unsere Verbindung zur Natur. Schon ewig setzen sich Menschen sein Geweih auf, um diese Tugenden von ihm zu erbitten, frĂŒhzeitliche Schamanen verkörperten damit seine FĂŒhrungsqualitĂ€ten, wenn es darum ging, Entscheidungen zugunsten aller zu treffen und sich dafĂŒr mit den Wesenheiten hinter dem Schleier zu verbinden. Das Hirschgeweih trĂ€gt man mit der Gewissheit und Hingabe eines klarsichtigen AnfĂŒhrers, bereit, fĂŒr das Gute zu kĂ€mpfen.  

Auf dem Pfad zwischen den Welten wandeln auch TEMPEL WOLF, ein neues Schweizer Trio aus dem Helvetic Underground Committee, und entsprechend feierlich und zeremoniell treten sie auf ihrem 12“-DebĂŒt ‚Hirschgeweihmaskeraden’ auch auf. Neben ganz auf AtmosphĂ€re ausgerichtetem Black Metal, der die alpenlĂ€ndischen Wurzeln und ihre Erfahrungen in Bands wie KVELGEYST und URGEIST stets durchschimmern lĂ€sst, tragen Aufnahmen von Feuerknistern, Wind und Wellen viel zur stark naturverbundenen Stimmung bei, sind es doch Erinnerungen an…

CULTHE FEST 2023 – Vorschau

Das Culthe Fest um Ostara, der FrĂŒhjahrs-Tag-und-Nacht-Gleiche, herum zu veranstalten, kann schon als Hinweis auf die Gesinnung der Veranstalter verstanden werden, die in einer Welt des schönen Scheins die Dunklen KĂŒnste feiern, und das bereits seit 2014, damals noch unter dem Banner des als Unaussprechliche Culthe Festivals und als absolute DIY-Veranstaltung – woran sich bis heute nichts geĂ€ndert hat. Nach der pandemiebedingten Pause geht es nun weiter mit Black-, Death, Doom, Drone und den entsprechenden Post-Schienen, an zwei Tagen und mit drei BĂŒhnen, Sputnikhalle und Triptychon, sowie dem kleineren CafĂ© Sputnik.

Mittlerweile steht auch die Running Order, 18 Bands aus sieben LĂ€ndern werden dieses Jahr auftreten, mit ULTHA und THE RUINS OF BEVERAST als Headliner am Samstag bzw. Sonntag, wobei sich das restliche handverlesene LineUp genauso sehen lassen kann und ein weites Spektrum zwischen Black Metal diverser Spielarten, Death Metal, Doom, Punk, Ambient, Drone sowie Dark Folk und Singer/Songwritern abdeckt. Besonders fair: jede Band spielt mindestens 45 Minuten, und es gibt keine Überlappung zwischen den drei BĂŒhnen, sondern sogar noch PĂ€uschen zwischen den Auftritten, so dass tatsĂ€chlich die Möglichkeit besteht, alles zu sehen und trotzdem eine entspannte Zeit zu haben – wo bitte gibt es das sonst?
Die leiseren, feine Töne sind am besten im Triptychon aufgehoben, dort finden neben den beiden Lesungen die akustischen…

ANGSTSKRÍG – Angstkrig  

Seit 2019 schon schleppen die beiden mysteriösen Protagonisten, die zusammen ANGSTSKRÍG sind, ihre schweren JutesĂ€cke auf dem Buckel durch Feld, Wald und Wiesen, und man sollte denken, dass mit dieser niederdrĂŒckenden Last keine grossen SprĂŒnge zu machen sind. Ja von wegen! Mit ihrem Zweitling ‚Angstkrig’ zeigen uns die DĂ€nen, wie Turbo-Weiterentwicklung einer noch jungen Band aussehen kann. Geradezu ein Quantensprung ist dieses Album, sowohl was tightes Songwriting und abgefahrenen Ideenreichtum, aber vor allem die eigene Stilfindung angeht, und lĂ€sst Hörende immer wieder mit offenem Mund vor Erstaunen und vor allem EntzĂŒcken zurĂŒck. Aber vielleicht liegt das alles ja auch daran, dass sie nun auch mal statt der SĂ€cke einen Sarg durch die Strassen ziehen? Schauen wir uns das Ganze doch mal genauer an



beginnen jedoch erstmal mit etwas AufklĂ€rung. Das neue Album heisst NICHT genauso wie die Band, sondern so, wie sie meistens falsch geschrieben wird – wĂ€hrend sich ANGSTSKRÍG mit „Angstschrei“ ĂŒbersetzen lĂ€sst, ist Angstkrig der „Angstkrieg“, was auch gleich zur diesmaligen Thematik ĂŒberleitet. Entstanden wĂ€hrend der Pandemie, bildet die Platte ab, unter welchem gesellschaftlichen und psychischen Druck der moderne Mensch – ANGSTSKRÍGs grundsĂ€tzliches…

MDXX – MDXX

Kaum zurĂŒck aus den WĂ€ldern des vorigen Reviews, sind wir schon wieder in Stockholm. In welchem Zeitalter der Menschheitsgeschichte wir uns befinden soll erst einmal egal sein. Und abermals erklingen Gitarrenmelodien, fast zu schön um wahr zu sein, zu eingĂ€ngige Songs und zu gelungene Arrangements zwischen Doom, klassischem 80er Metal und 70er Hardrock, jedoch mit einer stĂ€ndig im Hintergrund lauernden, sinistren, okkulten und deutlich eingeschwĂ€rzten Schlagseite, die das Ganze jedoch gerade noch interessanter macht – da muss doch der Teufel seine HĂ€nde im Spiel haben! Kaum gedacht, hören wir tatsĂ€chlich schon vom gefallenen Gott und seiner neu gezeugten Kreatur, die die Menschheit ausradieren soll vom Angesicht seiner Schöpfung, und hĂ€tten wir’s nicht bereits vor anderthalb Jahrzehnten unweit im selben Lande erlebt, man könnte den Eindruck haben, hier wĂŒrde sich eine Geschichte wiederholen


1520 war ein SchlĂŒsseljahr in der Geschichte Schwedens und seines Freiheitskampfes um UnabhĂ€ngigkeit von DĂ€nemark, das seit Ende des 14. Jahrhunderts die Herrschaft ĂŒber ganz Skandinavien und Island innehatte. Es endete am 7. November 1520, drei Tage nach der Krönung des DĂ€nenkönigs Christian II., Sieger im UnabhĂ€ngigkeitskrieg…

JONATHAN HULTÉN – The Forest Sessions (DVD)

JONATHAN HULTÉN ist fĂŒr vieles zu bewundern – seine virtuosen GitarrenkĂŒnste, den absolut sicheren Umgang mit seiner so vielschichtigen wie umfangreichen Stimme, sein ausdrucksstarker und gleichzeitig extrem reduzierter Stil als Songwriter und Lyriker, sein so phantasie- wie effektvolles Styling, mit dem er sich stĂ€ndig neu erfindet, sein enormes Talent als Graphiker, sein expressiver Selbstausdruck als TĂ€nzer, nicht zuletzt seine zurĂŒckhaltende und doch stets hochprĂ€sente menschliche Art, doch vor allem fĂŒr seine schier unerschöpfliche KreativitĂ€t, die sein Aufgehen in all diesen Kunstformen erst möglich macht.

Am meisten beeindruckte mich jedoch sein Ausstieg von TRIBULATION, gerade zum Zeitpunkt ihres kommerziellen Durchbruchs, den HULTÉN jedoch offensichtlich benötigte, um seinen ganz eigenen Weg als UniversalkĂŒnstler gehen zu können. Frei von jeder EinschrĂ€nkung, ohne Kompromisse, nur sich selbst und seinen eigenen AnsprĂŒchen verpflichtet, offen fĂŒr jegliche Ideen, die da kommen. Dass er gefĂŒhlvoll und packend komponieren kann und daraus mit den einfachsten Mitteln, aber einem grossen Perfektionismus exakt auf sich als Performer zugeschnittene StĂŒcke voller Klarheit und doch tiefer EmotionalitĂ€t gestalten kann, ist lange bekannt, sein erstes Lebenszeichen von 2017, die EP…

JENNY HVAL – Gott hassen

Können Worte Emotionen jemals umfassend beschreiben? Wohnen ihnen gar GefĂŒhle inne, sind sie wie elektrisch damit aufgeladen, oder lösen sie diese nur aus? Was gibt Worten diese sogartige Wirkung auf uns, und woher beziehen sie die Energie dafĂŒr? Wird sie durch den kreativen Akt des Schreibens kanalisiert, aber wo war sie dann zuvor? Wie gelingt AutorInnen dieser magische, Bedeutung und vor allem Verbindung erschaffende Prozess und was ist hilfreich und notwendig dafĂŒr? All diesen und vielen weiteren kĂŒnstlerischen, magischen und existenziellen Fragen geht JENNY HVAL in ‚Gott hassen’ nach.

Die Norwegerin ist bisher vor allem als vielfach ausgezeichnete Musikerin bekannt, hat jedoch zudem Kreatives Schreiben und Performance studiert und arbeitet als Journalistin und Autorin, und all diese verschiedenen kĂŒnstlerischen Ausdrucksformen finden nun in ihrem zweiten Roman zusammen. Man kann dieses Buch mit ihrer eigenen, zwischen Avant-Pop und Electroexperimentellem oszillierenden Musik in Hintergrund lesen, tatsĂ€chlich passt jedoch der von ihr stĂ€ndig untersuchte und auch immer wieder zitierte „total misanthropische Black Metal“, gerne frĂŒhe DARKTHRONE, deutlich besser zum Leseerlebnis, geht es doch viel um die Jugend der Protagonistin, die Gott hasst und Black Metal verehrt, entsprechend auch selbst in einer Band spielt und die Farbe Schwarz als einzig mögliche identifiziert, stellt sie doch den totalen Kontrast zu den properen weissen Dörfern des tiefchristlichen und genauso spiess-…

HEAVEN’S DAMNATION – Heaven’s Damnation

Entstanden als Projekt des DYSGNOSTIC- und URKRAFT-Gitarristen M. Bertram, der sich fĂŒr seine Vision eines Sounds, der die AtmosphĂ€re des Black Metal mit der Aggression von Death Metal verquickt, mit Schlagzeuger A. Fjorgynn (FJORSVARTNIR) und SĂ€nger L. Johansson (SERPENT’S LAIR, GENOCIDE DOCTRINE, ex-UDÅNDE) verstĂ€rkte, legen HEAVEN’S DAMNATION nun ihr DebĂŒt bei Vendetta Records vor, die im dĂ€nischen Death- und Black Metal Untergrund genauso tief verwurzelt sind wie die drei Musiker selbst. Und diese geistige Offenheit in alle Richtungen sowie lange Erfahrung in diversen Genres merkt man allen Akteuren auch sofort an, die eine ganz klar eigen(sinnig)e und gleichzeitig ĂŒberraschende Ausrichtung auf den vier Songs plus Intro vorlegen.

Eine Band, benannt nach einem DISSECTION-Song, und dann gleich ein stimmungsvolles, oldschooliges Keyboardintro, begleitet von einer singenden Leaditarre, bis die im Duo (DYSGNOSTICs T. Fischer und S. Kannegaard helfen bei den Vocals mit einem Gitarrensolo aus, was gerade beim Gesang teils an OUR SURVIVAL DEPENDS ON US , RIP, erinnert) sowohl charmant rausgekotzten als auch keifenden Vocals einsetzen – das hat natĂŒrlich viel von „best of both worlds“, mit dem grimmen Gitarrenflirren und der dĂŒsteren Stimmung des Black Metal auf der einen, sowie dem aggressiven