Kategorie: Livereview

Livereviews, Konzerte, Festivals...

AHAB + ULTHA live in Bochums Christuskirche

Gerade Bands aus dem okkulten Bereich der Rockmusik bezeichnen und gestalten ihre Auftritte gerne als Rituale; Riten wiederum sind Zeremonien und kultische Handlungen, die meist im Rahmen einer Religion, der Anbetung einer Gottheit, ausgeübt werden. Musik spielte dabei wohl schon seit Menschengedenken eine grosse Rolle, stiftet sie doch Gemeinschaft, betont den besonderen, aus dem Alltag herausgehobenen, ja heiligen Charakter einer Zusammenkunft und kann im besten Falle Trancen auslösen, die die Gläubigen ihren Göttern näherbringen. Die meisten Kulturen haben für den spirituellen Effekt ihre Sakralbauten so gestaltet, dass deren Akustik ihre vielen hundert Besucher überwältigt – glasklare Verstärkung und massiver Hall machen jeglichen Klang noch eindringlicher, sei es gregorianischer Gesang in einer Kathedrale oder eine Glocke im buddhistischen Tempel.

Gedämpftes und gleichzeitig fokussiertes Licht, die herausgehobene Bühne und ein sich weit ausbreitender Klangkörper, der eine grosse Menge an Zuhörenden umfasst – interessanterweise treffen all diese sakralen Raumwirkungen genauso auf Konzerte zu, in jeglicher Musikrichtung und überall auf der Welt. Die feierliche Stimmung überträgt sich auf die Zuhörer, denen es so leichter gelingt, Abstand vom gewohnten Leben zu bekommen und sich auf eine von Klängen begleitete Reise ins eigene Innere einzulassen. Daher…

BELL WITCH & FUOCO FATUO live im P8² Karlsruhe

Knapp zu spät, die erste Band hat gerade begonnen, komme ich ins P8² und wundere mich, dass von den Leuten, die neben dem Mischpult stehen, bis vor zur Bühne alles leer ist. Ich finde das FUOCO FATUO gegenüber unfair und gleichzeitig sehr verwunderlich, dass offenbar bisher kaum jemand da ist beziehungsweise weiter nach vorne geht. Als ich jedoch schliesslich mit flüssiger Erfrischung ausgerüstet Richtung Bühne strebe, erkenne ich meine Fehleinschätzung, denn es bietet sich mir ein äusserst ungewohnter, ja für Doom Metal geradezu skurriler Anblick: der Zuschauerraum ist bestuhlt, und das Konzert keineswegs schwach besucht, sondern die Meisten sitzen eben. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet, doch wieviel Sinn dies gerade für den Hauptact BELL WITCH macht, werden wir im Laufe des Abends noch lernen…

CULTHE FEST 2023 – Festivalbericht

Dass das CULTHE FEST eine durch und durch leidenschaftliche DIY-Veranstaltung voller Idealismus, Engagement und Herzblut ist, haben wir ja schon HIER in unserer Vorschau betont, die sich alle leider-bisher-noch-nicht-CulthistInnen zwecks Vermeidung von Wiederholungen zuerst einmal zu Gemüte führen sollten, bevor sie nun diesen Festivalbericht goutieren. Und wenn ihnen dann bewusst wird, was da seit zehn Jahren in schöner Regelmässigkeit, wenn auch zuletzt unterbrochen durch die Pandemie, zwei FeierTage lang im Haverkamp in Münster so alles los ist, werden echte Untergrund-Extremmetalfans ab sofort das Osterwochenende für einen Besuch in Westfalen reservieren, wie es eingefleischte (ist das heutzutage eigentlich noch eine valide Formulierung? Ich zumindest erinnere mich eher an die genialen Falafelrollos vom Al Hayat-Wagen im Hof…) Fans schon seit einigen Jahren tun…

Das Festival beginnt eigentlich schon nach dem Gang zum Briefkasten, wenn die Post mit den Karten eingetroffen ist – in einem so liebevoll handbeschrifteten Umschlag, wie auch das Musik- sowie das Rahmenprogramm des CULTHE FESTs kuratiert werden. Schön gestaltete Flyer und Sticker begleiten die Tickets und es würde nicht wundern, wenn dem Brief auch Weihrauch- oder vielleicht besser Lovecraftscher, unaussprechlich culthiger Schwefeldunst entströmen würde, passen würd’s allemal! Da ja graphische KünstlerInnen genauso Teil des Festivals sind wie die Bands, kann der Veranstalter Culthe Collectiv e.V. diesmal auch gleich auf diverse Designs für…

MESSA und JULINKO – Tourstart 2023 in Karlsruhe

Ich kann es nicht oft genug sagen: Leute, geht auf Konzerte, nur das ist das wahre Leben! Nicht nur dass man immer unerwartete Leute wiedertrifft, mit Freunden zusammenkommt und einfach Spass miteinander hat, man lernt auch ständig tolle neue Bands kennen – wie heute JULINKO, eine Solokünstlerin ebenfalls aus dem Veneto, die MESSAs diesjährige Mitteleuropa-Tour eröffnet. Ich wusste zuvor nicht mehr als dass es poetisch werden sollte mit ihr, aber tatsächlich wurde es transzendental, ihr Auftritt fand in einer anderen Sphäre statt, entführte in ihre Phantasiewelt mit all ihrem Licht und Schatten.

JULINKO arbeitet mit ihrer Stimme, ihren Gitarren, Effekten, sparsamer Percussion und vor allem mit Loops, doch wer nun an LILI REFRAIN denkt, liegt falsch, obwohl es zweifellos Parallelen zwischen den Beiden gibt. Sie nutzt bei dem heutigen Auftritt ihre Stimme wie ein weiteres Instrument, und da ist sie eine Virtuosin. Sie zirpt, zittert, bebt, lässt die Töne durch Kopf, Kehle und Brust wandern und wird selbst zum Stimmorgan, ihrem Experimentieren sind dabei keine Grenzen gesetzt. Dazu begleitet sie sich auf der Gitarre, die sie ebenfalls auch gerne unkonventionell für ewig wabernde Drones und andere eindrucksvolle Effekte benutzt. Es ist eine Exploration des hörbaren Raumes, seine Grenzen…

Synergien & Symbiosen: SATYRICON & MUNCH, Oslo & der Black Metal

Ich schwöre, der Schatten auf dem Ausstellungsposter oben ist kein Fake. Ich habe ihn während der Aufnahme nicht mal wahrgenommen, so sehr war ich mit der schrägen Perspektive beschäftigt. Das neue MUNCH jedoch, wie das im Herbst 2021 eröffnete futuristische Gebäude im Hafen Oslos heisst, hat das Petruskreuz vor dem Eingang zu „SATYRICON & MUNCH“ mit Hilfe der Abendsonne und seiner Fassade aus Stahl und Glas selbst herbeigezaubert, zu recht und mit voller Überzeugung, da bin ich mir sicher. Wo, wenn nicht in Norwegens Hauptstadt liegen Licht und Schatten des Black Metal näher zusammen?

Wer diesen Sommer hier oben im 10. Stock an den Panoramafenstern steht, ist entweder speziell für diese Ausstellung gekommen und hat dafür teilweise lange Anreisen auf sich genommen, oder ist normaler Museumsbesucher und kommt rein zufällig hierher. Vielleicht läuft auch der Kreuzfahrttourist hier nur mal schnell durch und wundert sich über die musikalische Beschallung, vielleicht nutzt er die Bank hinten im Raum auch für ein erholsames Schläfchen, wie mein Nachbar beim zweiten Besuch es – für mich völlig unverständlich – eine ganze Stunde lang tat. Die „Eingeweihten“ unter den 350.000, die in den vergangenen vier Monaten Zeugen dieser Symbiose aus Expressionismus und Black Metal wurden, erkennen sich jedoch wie überall auf der Welt an ihrer Kleidung und Haarpracht, an der Reaktion auf die Musik, und vor allem an der Ehrfurcht, mit der sie den fast stockdunklen…

UNHOLY PASSION FEST VI

Unholy passion I feel for you…, dieser Ohrwurm wird seit dem vergangenen Wochenende viele beglücken, die zur jährlichen Düstermesse, dem UNHOLY PASSION FEST VI, ins Gebäude 9 gepilgert waren. Zum ersten „richtigen“ Festival nach der Corona-Zwangspause, folglich auch als sechstes gezählt und wie immer von ULTHA mit befreundeten oder neu entdeckten Bands organisiert. Und wer bisher nicht wusste, wieso das Ganze eigentlich so heisst, konnte heute seine entsprechende Lektion lernen, aber dazu später…

Bis auf eine Handvoll Karten ausverkauft ist dieser kalte Kölsche Winterabend, so sehr ist das erste Dezemberwochenende Fixpunkt im Kalender der Fans, ein Abend, an dem immer wieder ganz Spezielles geboten wird und den man daher nicht verpassen will, zu dem aber auch regelmässig Leute aus ganz Europa kommen, die sich zur ULTHA-Familie zählen. Darauf, dass das Lineup passt, kann man sich verlassen, trägt die Bandauswahl doch stets die Handschrift dieser fünf Musiker und ist damit innovativ, ausgefallen und vor allem hochklassig. Drei Bands haben sie diesmal eingeladen, eine davon war bereits im Frühjahr mit den Kölnern unterwegs – UNRU aus Berlin, die mit Lars sogar eine personelle Überlappung haben. Wer auf der UNRULTHA-Tour dabei war, hat erlebt wie gut beide Bands…

IMPERIAL TRIUMPHANT & PI live in Straßburg

Ein heisser Hochsommertag in Straßburg, das Zentrum zwischen Kathedrale und La Petite France platzt fast vor lauter Touristen, und auch eine kleine Reisegruppe aus New York City ist für einen Abend hier, um die eigene Megacity auf ihre Art zu besingen – mit den Mitteln von Black und Death Metal sowie einem guten Schuss Jazz. IMPERIAL TRIUMPHANT sind auf grosser ‘Mother Of Greed’-Europatour mit insgesamt 27 Auftritten auf diversen Festivals und in mittelgrossen Clubs. Noch sind sie bei uns nur Insidern bekannt, doch ihr aktuelles und fünftes Album ‚Spirit Of Ecstasy’ sollte das nun schnell ändern, es wird auf jeden Fall in diversen Jahresendlisten zu finden sein.

Doch zuerst will der Weg ins erst vor zwei Jahren neu eröffnete La Maison Bleue im Süden der Stadt gefunden werden, und so kommt es, dass ich von PI, die sehr pünktlich gestartet sind, nur noch den Rest des Auftrittes zu hören bekomme. Das multinationale Trio hat sich 2015 hier in Straßburg gegründet und besteht aus dem Mexikaner Guillermo González an der Neunsaitigen, Guido Pedicone aus Argentinien am fretless Bass sowie Lokalmatador Ludovic Muller am Schlagzeug. Die drei haben sich einen sehr technischen, instrumentalen und in Richtung Death Metal gewichteten Progmetal auf die Fahnen geschrieben, den sie sehr selbstversunken ihrem Publikum, das ganz offensichtlich gut mit ihrem 2019er Debüt ‚Transmutation Circles’ vertraut ist, präsentieren…

DOOL im 7er Club Mannheim

Nachdem sie ihre „Summerland-Tour“ mehrfach verschieben mussten, packen DOOL nun soviele Clubdates zwischen ihre Festivalauftritte wie nur möglich, und gaben auf der Rückfahrt vom In Flammen-Open Air auch dem Mannheimer 7er Club die Ehre. Wie es aktuell eben so ist und typisch für Sonntagabende, konnte im Publikum soviel Abstand gehalten werden wie man eben mag – zumindest weiter hinten, es hätten sich ruhig noch ein paar Nasen mehr auf den Weg machen können. Doch der Stimmung tat dies keinerlei Abbruch, direkt vor der Bühne gab’s Konzertfeeling wie gewohnt, und mal ehrlich: wann kommt man heutzutage noch so nah ran an die Bands? Ein grossartiger Abend konnte beginnen…

…der natürlich den Schwerpunkt auf den deutlich nachdenklicheren Zweitling legte und im Handumdrehen bewies, dass bei DOOL jeder Song in der Liveversion einfach explodiert, zu sehr ist die Band mit ihrer Musik eins und geht völlig in ihr auf, zu stark ist der Sog der Songs, der nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Musiker selbst gefangennimmt. Sie steigen ein mit ‚Wolf Moon’ und drehen sofort voll auf, ziehen die Geschwindigkeit wie live üblich deutlich an und erhöhen die Intensität mit jedem Stück aufs Neue…