HAUNTED – Stare At Nothing

  • Veröffentlichung: 19.04.2024

  • Vertrieb: Ripple Music

  • Versionen: Digital, CD, Vinyl, Cassette

Stil: Feinster Italodoom vom Ätna mit einer absolut hypnotischen Stimme

Wer mit einem solch geisterhaft-verhexten Intro wie mitten aus einem Gruselfilm einsteigt, weiss genau, wieso sie ausgerechnet Doom machen. Es mag aber genauso sein, dass ihre Herkunft aus Catania auf Sizilien, in direkter Nähe zum Ätna, eine Rolle spielt, sich bewusst mit Geschehnissen ausserhalb unserer weltlichen Existenz und Erlebniswelt auseinanderzusetzen, wenn Europas höchster aktiver Vulkan jederzeit alles um einen herum in Schutt und Asche legen kann. Und HAUNTEDs Motto “Music for the Black Masses” passt da genauso perfekt dazu wie lavazähe Riffs und glühende Verstärkerröhren.

Doch genug der Klischees, denn die bedient das süditalienische Quartett sowieso nicht wirklich. Zwei Männer, zwei Frauen, eine davon die Gitarristin, die andere die Vokalistin, das ist eine spannende Ausgangsbasis für vielerlei traditionelle wie  moderne Soundexperimente auf den Spuren von BLACK SABBATH & ihren langsameren Konsorten. HAUNTED haben sich auf einen extrem bassbetonten rituellen Doom mit runtergestimmtem Stoner-Sound, aber vielen unerwarteten Extras spezialisiert, die ihn aus der Masse herausheben, und da muss zuerst die Stimme von Cristina Chimirri genannt werden. Von ihnen selbst als „Keening“, also das Wehklagen während der Totenwache beschrieben, ist sie so verführerisch wie unschuldig, witchy und souverän, einlullend aber gleichzeitig warnend, und trägt damit den Hauptteil zur gespenstischen Atmosphäre bei, die von den anderen Instrumenten durch ihre zurückhaltende, reduzierte und repetitive Spielweise im Kontrast zu extremer Heavyness aufgebaut wird. Hier wird keine Note verschenkt, alles dient allein der Atmosphäre, und die trägt ‚Stare At Nothing’ durch eine schwüle, verwunschene und manchmal auch verdorbene süditalienische Nacht, ganz entspannt und selbstverständlich (‚Fall Of The Seven Veils’).

Das hier ist Doom, der diese Stilistik als Grundlage von Allem, was danach kam, feiert, aber vor allem als Weg heraus aus dem Alltag in eine mystische Zwischenwelt, die Zuhörende hypnotisch und durch die ständigen Wiederholungen und Abwandlungen der Tonfolgen wie in einer immer enger werdenden Spirale in seinen Bann zieht und dadurch eine mühelose Trance ermöglicht; eine Feier des Riffs als Grundbaustein der Transzendenz, und der Verzerrung als Beschwörung succubischer Verführung (‚Malevolent’).

Nicht nur die Vocals erinnern hier an Amy Tung Barrysmith und YEAR OF THE COBRA, HAUNTED nutzen den Sludge-Anteil jedoch nur für die unmittelbare Dreckigkeit, den Kontakt zu Mutter Erde und die Strasse raus aus der Stadt, Cristina verkörpert deutlich eine südlichere, sinnliche Einheit mit der Natur und einen rituellen Zugang zur Wirkung der Musik. Eine weitere Parallele sind unverkennbar WINDHAND, wer auf die Amis steht kann hier bedenkenlos zugreifen, bekommt jedoch noch deutlich mehr Hexenkunst und wilde, ungreifbare Magie. Neuzugang an der Gitarre Kim Crowley ist eine Riffgöttin, ihr Stil lässt die Grenzen zwischen Bass und Sechssaiter zerfliessen, da ist eine Menge Dave Chandler-Worshipping im Gange (‚Catamorph’, ‚Back To The Nest’), wobei sie gleichzeitig sehr gut weiss, was sie selbst ausmacht, und auch gerne ihre verspielte Seite auslebt (‚Garden Of Evil’). Generell ist jeder Akteur in der Band gleichberechtigt stark, und dieses Selbstbewusstsein spiegelt sich in den neun neuen Songs, die von Basser Frank Tudisco und Luca Strano an den Drums mit mehr als einem soliden Fundament versehen werden, beide glänzen auch immer wieder durch Alleingänge, ohne die Synergie zwischen den Vieren zu verletzen. ‚Stare At Nothing’ gipfelt in ‚Waratah Blossom’, einem stark rituellen Longtrack, der nochmals alle Stärken der Sizilianer:innen auf Tapet bringt, und vor allem Cristina Chimirris Vielseitigkeit in den Rollen der verführerischen, doch vor allem mächtigen Zauberin und Sirene auf die Spitze treibt. Sie verhext die Zuhörenden geradezu, den Play-Knopf erneut zu drücken…

Das Cover, ein Photo von Kristina Lerner, ist ein mutiges genreuntypisches Statement, da es ganz andere Musik dahinter vermuten lässt, doch die italienische Doomelite ist gestalterisch ebenfalls in Person von MESSAs Sara Bianchin, die das Layout angefertigt hat, vertreten. Okkulter Doom von jenseits des Schleiers, so betörend wie verwirrend, und wie gemacht für die kommenden Sommernächte – greift zu!

Bandinfo:

HAUNTED kommen aus Catania, Sizilien, und sind Cristina Chimirri (“Keening”), Kim Crowley (Gitarren), Luca Strano (Drums) und Frank Tudisco (Bass).

https://haunteditaly.bandcamp.com
https://www.facebook.com/hauntedcoven
https://www.instagram.com/hauntedcoven

Diskographie:

Haunted (LP, 2016)
Dayburner (LP, 2018)
Stare At Nothing (LP, 2024)

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