Schlagwort: Industrial

EITRIN – Eitrin

So langsam beunruhigt mich die offensichtlich in Mode gekommene starke Affinität französischer Bands aus dem Black Metal-Spektrum zu potent tödlichen Substanzen. Waren es bei THOD noch infektiöse Agenzien wie Viren und Bakterien, die meist fatal endende Krankheiten auslösen, gehen EITRIN den direkteren und schnelleren Weg über letale Gifte, teils natürlicher, teils menschlicher Herkunft; und das ist auch bereits in ihrem Band- oder zumindest Projektnamen versteckt, ist es doch das isländische Wort für Gifte… und gleichzeitig der offizielle Firmenname von DMP: Eitrin Editions.
So spät wie ich mit meinem Review dran bin, sieht es mittlerweile tatsächlich so aus, als ob aus dem Projekt zur Feier von nunmehr zwei Dekaden Debemur Morti Productions/DMP  eine neue All-Star-Band geworden ist, zumindest lassen Vindsvalsche Social Media-Kommentare solches vermuten. Und das wird all die freuen, die das selbstbenannte Debüt bereits kennen- und schätzen gelernt haben. Einer der drei Protagonisten ist damit bereits genannt, hört man in die Platte hinein ist sein Spiel und stilistischer Einfluss auch schwerlich zu leugnen, auch wenn EITRIN mit BLUT AUS NORD weit weniger zu tun hat als der Beitrag und Trademarksound von Vindsval (und dem ungenannten ebenfalls bei BAN…

UNHOLY PASSION FEST VI

Unholy passion I feel for you…, dieser Ohrwurm wird seit dem vergangenen Wochenende viele beglücken, die zur jährlichen Düstermesse, dem UNHOLY PASSION FEST VI, ins Gebäude 9 gepilgert waren. Zum ersten „richtigen“ Festival nach der Corona-Zwangspause, folglich auch als sechstes gezählt und wie immer von ULTHA mit befreundeten oder neu entdeckten Bands organisiert. Und wer bisher nicht wusste, wieso das Ganze eigentlich so heisst, konnte heute seine entsprechende Lektion lernen, aber dazu später…

Bis auf eine Handvoll Karten ausverkauft ist dieser kalte Kölsche Winterabend, so sehr ist das erste Dezemberwochenende Fixpunkt im Kalender der Fans, ein Abend, an dem immer wieder ganz Spezielles geboten wird und den man daher nicht verpassen will, zu dem aber auch regelmässig Leute aus ganz Europa kommen, die sich zur ULTHA-Familie zählen. Darauf, dass das Lineup passt, kann man sich verlassen, trägt die Bandauswahl doch stets die Handschrift dieser fünf Musiker und ist damit innovativ, ausgefallen und vor allem hochklassig. Drei Bands haben sie diesmal eingeladen, eine davon war bereits im Frühjahr mit den Kölnern unterwegs – UNRU aus Berlin, die mit Lars sogar eine personelle Überlappung haben. Wer auf der UNRULTHA-Tour dabei war, hat erlebt wie gut beide Bands…

BLUT AUS NORD – Lovecraftian Echoes

Erst im Mai beglückte Vindsval uns mit dem letzten BLUT AUS NORD-Album zum Thema der Grossen Alten, ‚Disharmonium – Undreamable Abysses’, da kommt kein halbes Jahr später schon dessen Widerhall auf den Markt? Nein, so einfach ist es in mehrfacher Hinsicht nicht. Die ‚Lovecraftian Echoes’ entstanden zwar in einem ähnlichen Zeitraum wie die letzte LP und bewegen sich ebenfalls im Kosmos des amerikanischen phantastischen Autors, haben jedoch eine völlig andere Ausrichtung, Zielsetzung und vor allem einen komplett anderen Hintergrund.

Die sechs Stücke sind nämlich allesamt schon einmal, und zwar einzeln, veröffentlicht worden, waren seinerzeit jedoch nur einem kleinen Kreis von BAN-Verehrern zugänglich, die gegen einen gewissen Obolus zwei Jahre lang, von Anfang 2020 bis 2022, Mitglieder des „Order of Outer Sounds“ (oder OoOS), einer exklusiven, von Debemur Morti Productions ins Leben gerufenen Fan- und Forumsgemeinschaft waren. Daher handelt es sich bei den ‚…Echoes’ auch um eine Compilation, und kein vollwertiges, neues BAN-Album, die nagelneue projekteigene Facebook-Seite „The Lovecraftian Echoes“ lässt jedoch weitere zukünftige Aktivitäten innerhalb eines eigenen Spin-Offs erwarten…

PANZERFAUST – The Suns of Perdition, Chapter III: The Astral Drain

Don’t judge a book by it’s cover – und lass dich nie mehr von einem unappetitlich martialischen deutschen Bandnamen bei fremdsprachigen Bands abschrecken! Dass ich um PANZERFAUST bisher einen grossen Bogen gemacht habe, reut mich nun, denn das vorliegende Album lief mir vom ersten Spin an extrem gut rein, und da es sich um den dritten Teil einer Tetralogie handelt, musste ich natürlich nachsitzen und mir zumindest die beiden Vorgänger draufschaffen. Selbst schuld! Oder eher – zum Glück noch rechtzeitig begriffen?

Die ersten beiden Teile, ‚The Suns of Perdition: Chapter I – War, Horrid War’ und Chapter II: Render Unto Eden’, unterscheiden sich so stark voneinander wie vom nun vorliegenden dritten Teil, der mir persönlich am meisten entgegenkommt – hätte ich mit dem themenentsprechend extrem brutalen und zwischen Bösartigkeit, Aggression, Verzweiflung und Qual pendelnden ‚War, Horrid War’ begonnen, wer weiss, ob ich am Ball geblieben wäre. Krieg und alle seine Werkzeuge und Schrecken werden hier so dermassen drastisch vertont und verarbeitet, dass entsprechend harte Kost dabei herauskommt. PANZERFAUST haben verschiedene Kriegsszenarien der Neuzeit herangezogen, besonders…

IN TWILIGHT’S EMBRACE – Lifeblood

Typisch für den zeitgenössischen atmosphärischen Black Metal aus Polen ist ja eine alles durchdringende industrielle Kälte und fast maschinenhafte Ausführung bei zwischen Resignation und Nihilsmus pendelnder, oft auch ritueller Stimmung. Wenn sich eine Band jedoch seit ihrer Gründung 2003 stilistisch vom Metalcore über Gothenburg-Melo/Death Metal schliesslich zu Blackmetallern entwickelt, haben sie schon rein technisch einiges mehr in der Hinterhand als ein reiner BM-Act, kompositorisch sowieso. Was bei ‚Lifeblood’ sofort auffällt ist der extreme Technikfokus bei trotzdem durchweg melodiebetonten Arrangements, fesselnden Dynamikwechseln und einem sehr eigenständigen Stil. Sicher, eine Nähe zu BLAZE OF PERDITION aber auch MORDASTIGMATA ist nicht zu verleugnen, was jedoch auch an personellen Überschneidungen mit Ersteren liegt, und natürlich der gemeinsamen Szene.

Doch tatsächlich sind IN TWILIGHT’S EMBRACE musikalische Kosmopoliten, die ebenso viel vom schwedischen wie französischen sowie südeuropäischen Extremmetal in ihre eigene Melange einfliessen lassen, wie sie sich auf ihre Herkunft besinnen. Heraus kommt eine sehr moderne Interpretation des Genres voller Gegensätze, die sich zu einem passgenau einzig- und neuartigen Sinneseindruck vereinen, der überaus stimmig, schon durch seine Hochgeschwindigkeit im Kontrast zu spannungserzeugenden Breaks und mächtigen Lowtempo-Parts mitreissend und vor allem originell ist…

CHURCH OF THE SEA – Odalisque

Gegensätze machen Kunst spannend, und das gilt genauso für Musik – Stil-Crossover und die Kombination unerwarteter Elemente öffnen Türen zu neuen auditiven Erfahrungen. Ein immer populärer werdendes Beispiel aus dem Doom-Dunstkreis sind ätherische Stimmen und Stimmungen über repetitiven Drones und langsamen, schweren Riffs, wie wir sie beispielsweise von (DOLCH), FRAYLE, KING WOMAN, LIŁITH, den beiden Wölfinnen oder auch E-L-R kennen. Doomgaze kann man das nennen, wenn eine schwebende, shoegazige Atmosphäre mit stark verzerrten Soundwällen in Austausch geht, und CHURCH OF THE SEA fügen diesem Konzept noch einen kühlen Darkwave-Touch hinzu, der ihnen weitere Hörerkreise erschliesst.

Das Trio aus Athen erschafft eine sehr elegante Musik, gerade auch durch das schleppende Tempo, das nur selten Geschwindigkeitsausbrüche erlaubt und die starken Kontraste, mit denen sie arbeiten. Vangelis’ mäandernden, schweren Riffs und melodischen Leadausflügen steht Irinis Stimme mehr als gleichwertig gegenüber, und das Dreieck wird durch Alex’ Drum- und sonstige Synths geschlossen. Und da gibt es noch mysteriöse, wie mit Hämmern geschlagene oder Bögen gestrichene, metallisch kalt klingende spezielle Instrumente wie gerissene Klaviersaiten und Becken, die eine gute Portion noisigen Industrialtouch dazugeben, und den einzigartigen CHURCH OF THE SEA-Sound…