Kategorie: Extremmetal

Black & Death & Thrash Metal

BLUT AUS NORD – Lovecraftian Echoes

Erst im Mai beglückte Vindsval uns mit dem letzten BLUT AUS NORD-Album zum Thema der Grossen Alten, ‚Disharmonium – Undreamable Abysses’, da kommt kein halbes Jahr später schon dessen Widerhall auf den Markt? Nein, so einfach ist es in mehrfacher Hinsicht nicht. Die ‚Lovecraftian Echoes’ entstanden zwar in einem ähnlichen Zeitraum wie die letzte LP und bewegen sich ebenfalls im Kosmos des amerikanischen phantastischen Autors, haben jedoch eine völlig andere Ausrichtung, Zielsetzung und vor allem einen komplett anderen Hintergrund.

Die sechs Stücke sind nämlich allesamt schon einmal, und zwar einzeln, veröffentlicht worden, waren seinerzeit jedoch nur einem kleinen Kreis von BAN-Verehrern zugänglich, die gegen einen gewissen Obolus zwei Jahre lang, von Anfang 2020 bis 2022, Mitglieder des „Order of Outer Sounds“ (oder OoOS), einer exklusiven, von Debemur Morti Productions ins Leben gerufenen Fan- und Forumsgemeinschaft waren. Daher handelt es sich bei den ‚…Echoes’ auch um eine Compilation, und kein vollwertiges, neues BAN-Album, die nagelneue projekteigene Facebook-Seite „The Lovecraftian Echoes” lässt jedoch weitere zukünftige Aktivitäten innerhalb eines eigenen Spin-Offs erwarten…

PANZERFAUST – The Suns of Perdition, Chapter III: The Astral Drain

Don’t judge a book by it’s cover – und lass dich nie mehr von einem unappetitlich martialischen deutschen Bandnamen bei fremdsprachigen Bands abschrecken! Dass ich um PANZERFAUST bisher einen grossen Bogen gemacht habe, reut mich nun, denn das vorliegende Album lief mir vom ersten Spin an extrem gut rein, und da es sich um den dritten Teil einer Tetralogie handelt, musste ich natürlich nachsitzen und mir zumindest die beiden Vorgänger draufschaffen. Selbst schuld! Oder eher – zum Glück noch rechtzeitig begriffen?

Die ersten beiden Teile, ‚The Suns of Perdition: Chapter I – War, Horrid War’ und Chapter II: Render Unto Eden’, unterscheiden sich so stark voneinander wie vom nun vorliegenden dritten Teil, der mir persönlich am meisten entgegenkommt – hätte ich mit dem themenentsprechend extrem brutalen und zwischen Bösartigkeit, Aggression, Verzweiflung und Qual pendelnden ‚War, Horrid War’ begonnen, wer weiss, ob ich am Ball geblieben wäre. Krieg und alle seine Werkzeuge und Schrecken werden hier so dermassen drastisch vertont und verarbeitet, dass entsprechend harte Kost dabei herauskommt. PANZERFAUST haben verschiedene Kriegsszenarien der Neuzeit herangezogen, besonders…

EXANIMATVM – Sollvm Ipsa Mor

Ob Punta Arenas, die südlichste Stadt der Welt, ganz unten an der Spitze des Kontinents im windgepeitschten, eisigen und kargen subantarktischen Süden Chiles gelegen, durch das riesige Eisschild abgeschnitten und isoliert vom Rest des Landes, näher an R’lyeh liegt als irgendein anderer Ort der Welt? Lauscht man EXANIMATVM, so drängt sich dieser Gedanke schnell auf, zumal wenn man wie ich ein Jahr lang dort an der Magellanstrasse gelebt hat und die Gegend daher kennt. Zumindest ist die berüchtigte Isla Dawson nicht weit entfernt, genutzt als Gefängnisinsel zuerst für die Ausrottung der Ureinwohner und später im Pinochet-Regime als Folter- und Konzentrationslager für Oppositionelle. Ein rauher, unwirtlicher, karger und kaum besiedelter Fleck Erde in grandioser, wunderschöner Natur, dem lange übel mitgespielt wurde, bevor er als Touristendestination in unmittelbarer Nachbarschaft zu Feuerland, Kap Hoorn und dem Torres del Paine-Nationalpark sowie als Hafen für Antarktiskreuzfahrten Aufwind bekam.

Die Winter sind lang, dunkel und kalt, Tier und Mensch müssen sich der rauhen Natur anpassen, um zu überleben. Diese Einsamkeit, das auf sich selbst gestellt und ausgeliefert sein an die Elemente findet sich im Death Metal EXANIMATVMs stets wieder, der von düsterster Atmosphäre nur so strotzt. ‚Sollvm Ipsa Mor’ ist die zweite full length des 2013…

HULDER – The Eternal Fanfare

HULDERs Debüt ‘Godslastering: Hymns Of A Forlorn Peasantry’ war Anfang 2021 ein Paukenschlag, der deutlich machte, dass traditioneller 90er-Black Metal immer noch lebt, und sich sogar eines neuen Frühlings erfreuen kann, wenn ihm von berufenen Händen (und Stimmbändern!) eine so leidenschaftliche Frischzellenkur verpasst wird. Was The Inquisitor aka Marz Osborne, aus Belgien in die USA emigriert und dort nun auch verehelicht, da an Können, Vision, Trveness und ja, auch Heldenverehrung, in ihre Musik packte, war zwar für ein paar Puristen zuviel des Guten, fand jedoch in der Szene riesigen Anklang, und auch tiefen Respekt, ist HULDER, nur mit Ausnahme der Drums, doch eine echte One-Woman-Show, spielt sie doch sämtliche Instrumente ausser dem Schlagzeug, das ihr Mann bedient, selbst.

Dass sie klassischen Black Metal lebt und liebt, wie ihr Logo dafür brennt, und zwar inklusive dem entsprechenden historischen und folkloristischen Hintergrund, dem Ganzen jedoch immer ihren ganz persönlichen Stempel aufdrückt, haben wir schon auf dem Cover von ‚Godslastering’ gesehen, auf dem sie wie auch auf den aktuellen Promobildern im Gewand, aber mit breitem Killernietenarmband und gerne auch mit Waffen posiert, und hören es in ihren Intros und Keyboardpassagen, die vor allem an Mittelaltermusik angelehnt sind. Waren die Keys anfangs noch gewollt im primitiven Kirchenorgelstyle der 90ern, gab es jedoch bereits Naturgeräuschsamples, und so beginnt ‚The Eternal Fanfare’ nun mit Feuerknistern vor bedrohlichen…

STIRIAH – …Of Light

An STIRIAHs dritter LP ‚…Of Light’ habe ich mir lang die Zähne ausgebissen, tue es eigentlich immer noch. Das Quartett, das seinen Schwerpunkt von Dresden in die Hauptstadt verlagert hat, ist schwer zu fassen; als Rezensentin versuche ich anfangs automatisch, Bands irgendwo einzuordnen, indem ich unbewusst versuche, sie mit anderen zu vergleichen – dieser Weg ist vermutlich menschlich, wir versuchen intuitiv eine Ordnung zu schaffen, zuzuordnen, Ähnlichkeiten zu finden, doch das funktioniert bei STIRIAH nicht. Sie widersetzen sich einfachen Schubladen, und zwar durchaus mit Stolz.

Gut, natürlich hört man sofort, wo ihre Haupteinflüsse herkommen, das ist klassischer, ziemlich norwegischer Zweite Welle-Black Metal, mit einem grossen Melodieanteil, aber da ist noch einiges, unerwartetes mehr, und obwohl sie selbst ihren roten Faden offenbar ganz eindeutig kennen, die Stringenz der Platte legt das nah, lassen sie uns Hörer damit erstmal allein im Nebel stehen. Oder in totaler Verwirrung, völliger Un-Ordnung? Sie selbst nennen ihren Stil ja „Harmonic Black Chaos – since 2015“, und damit kommen wir der Sache vermutlich deutlich näher…

IATT – Magnum Opus

Schon interessant, wie es manchmal läuft im Leben – einen wirklichen Zugang zu Magnum Opus’ habe ich erst bekommen, als ich mich zeitgleich zum einen mit IBARAKI, und zum anderen mit der neuen SEPTICFLESH beschäftigt habe. Dann hat das Album auf einmal gezündet, und auch wenn Jay Briscoe mit seinen fiesen, entweder zum Highpitch oder in Grabestiefen überdrehten, stark metalcorebasierten Shouts nie zu meinen favorisierten Sängern gehören wird, kann ich seine Vocals nun besser einordnen. Bei einer Platte, die mit einer melancholischen Violine startet, kommt solch krasser Gesang eine Minute später einfach überraschend, aber eben auch solche Dinge wie Saxophonsoli, Flamencogitarren, barocke Pianopassagen, Klangschalensessions, spacige Keyboardsounds oder coole Jazzläufe, und IATT (ehemals I AM THE TRIREME) haben all das im Programm. Das Quartett aus Philadelphia will sehr viel, und hat noch viel mehr Ideen.

Zu den oben genannten Bands könnte man noch FLESHGOD APOCALYPSE, aber auch IMPERIAL TRIUMPHANT hinzufügen, und damit ist die Arena, in der ‚Magnum Opus’ agiert, einigermassen abgesteckt. Zwischen technischem, teils verspielt symphonischem Death Metal mit rhythmischem US-Metalcore-Kern und sehr experimentellem, progressivem Black Metal kommt hier alles bunt gemischt aufs Tapet, und kann den Hörer anfangs tatsächlich überfordern, weil so viel auf einmal passiert…

IN TWILIGHT’S EMBRACE – Lifeblood

Typisch für den zeitgenössischen atmosphärischen Black Metal aus Polen ist ja eine alles durchdringende industrielle Kälte und fast maschinenhafte Ausführung bei zwischen Resignation und Nihilsmus pendelnder, oft auch ritueller Stimmung. Wenn sich eine Band jedoch seit ihrer Gründung 2003 stilistisch vom Metalcore über Gothenburg-Melo/Death Metal schliesslich zu Blackmetallern entwickelt, haben sie schon rein technisch einiges mehr in der Hinterhand als ein reiner BM-Act, kompositorisch sowieso. Was bei ‚Lifeblood’ sofort auffällt ist der extreme Technikfokus bei trotzdem durchweg melodiebetonten Arrangements, fesselnden Dynamikwechseln und einem sehr eigenständigen Stil. Sicher, eine Nähe zu BLAZE OF PERDITION aber auch MORDASTIGMATA ist nicht zu verleugnen, was jedoch auch an personellen Überschneidungen mit Ersteren liegt, und natürlich der gemeinsamen Szene.

Doch tatsächlich sind IN TWILIGHT’S EMBRACE musikalische Kosmopoliten, die ebenso viel vom schwedischen wie französischen sowie südeuropäischen Extremmetal in ihre eigene Melange einfliessen lassen, wie sie sich auf ihre Herkunft besinnen. Heraus kommt eine sehr moderne Interpretation des Genres voller Gegensätze, die sich zu einem passgenau einzig- und neuartigen Sinneseindruck vereinen, der überaus stimmig, schon durch seine Hochgeschwindigkeit im Kontrast zu spannungserzeugenden Breaks und mächtigen Lowtempo-Parts mitreissend und vor allem originell ist…

PREDATORY LIGHT – Death And The Final Hours

Ein Proto-Black Metal-Style, aber sauber auf dem Stand der Zeit abgemischt, ein bösartiges Bellen mit schwärzesten Botschaften allein über ein Thema, den Tod und das Ende aller Zeiten, und immer ganz vorne und über allem drüber diese schneidende und gleichzeitig fast barocke Gitarre, die hier die eigentliche Hauptrolle spielt – und selbst kaum einzuordnen ist. Es ist eine bizarre Mischung, die PREDATORY LIGHT aus Santa Fe uns da mit ihrem Zweitling ‚Death And The Twilight Hours’ kredenzen.

Psychedelisch, exzentrisch, aus der Zeit gefallen und diese in vier teils sehr ausufernden Longtracks auch mal vergessend, irgendwie schräg, oft dissonant, absolut nicht in irgendwelche Schubladen einzuordnen, aber vielleicht gerade deswegen so reizvoll kommt dieser Mix aus Black und etwas Death Metal plus einer ordentlichen Dosis Doom, auch im Wortsinn, daher, der vor allem Liebhaber eher kauziger Klänge ansprechen wird. Die wilde Truppe aus dem kreativen und spirituellen Schmelztiegel New Mexicos, personell deckungsgleich mit den Deathern SUPERSTITION und somit auch mit ASH BORERs und VANUMs Kyle Morgan am Sechssaiter, hat sich diesmal dem Schwarzen Tod, also der Pest verschrieben, und orientiert sich dabei an Berichten von Lukrez über die Pest in Athen 430 v. Chr. bzw. Boccaccio…

BEDSORE / MORTAL INCARNATION – Split

Man muss sich ja schon Gedanken machen über das Sorgenkind Death Metal. Irgendwie hängengeblieben im ewigen Wiederkäuen alter Ideen, Technik sehr gut, aber Innovation mangelhaft, ausser in gewissen ausserschulischen Untergrund-Arbeitskreisen ist die Motivation, etwas zum eigenen Vorankommen zu tun, eher gering. Sich an den älteren Mitschülern zu orientieren, die schon x-Mal die Ehrenrunde gedreht haben seit sie sich auf längst verwelkten Lorbeeren ausruhen, macht eben auch nix besser. Und dann dieser latente Hang zur Gewaltverherrlichung und die Verweigerung, das tiefgestimmte eigene Gefühlsleben abseits von Instinktbefriedigung und aggressiver Impulsivität zu erforschen – wenn das alles so weitergeht, ist die Versetzung aus der Metal-Grundschule stark gefährdet. Dabei sah im Kindergarten doch alles noch so vielversprechend aus… und nun hat das schwarze Familienschaf Black Metal den älteren Bruder fast komplett abgehängt, was die Zukunftsperspektiven angeht. Sogar die Cousins Melodeath und Deathdoom haben noch die Kurve gekriegt und mittlerweile eine Festanstellung bei Majors, aber der klassische Deathmetal – ein wirklich trauriges Bild… lange geht das nicht mehr gut.
Doch es gibt noch Hoffnung. Sie kommt, wie so oft, von weit draussen im All, wo aus grosser Distanz der Gesamtüberblick über die Welt der Rockmusik und ihre Zusammenhänge leichter fällt. Zwei junge Bands, selbst durch…

ULTHA – All That Has Never Been True

ULTHA, das ist entweder ganz oder gar nicht. Als ich 2018 ihrem drittem Album ‘The Inextricable Wandering’ die beiden Möglichkeiten zusprach, es entweder nebenbei zur Unterhaltung und Ablenkung hören zu können oder sich seelisch komplett darauf einzulassen, sich dieser Musik förmlich auszuliefern, habe ich, retrospektiv gesehen, sowohl die weitere Entwicklung der Band als auch die grundsätzliche emotionale Wirkung ihrer Musik unterschätzt. Spätestens ‘Belong’  hat dann gezeigt, dass es bei den Kölnern nur zwei Alternativen gibt: sich völlig öffnen und erleben, was diese so intensive, hochemotionale Musik mit einem macht, das kann herausfordernd sein, heilsam, sogar kathartisch, oder eben absolut nichts damit anfangen können – nein, viel eher: das gar nicht wollen, ihre Wirkung abblocken, weil einem das Unbewusste davon tunlichst abrät, sich mit unangenehmen Erinnerungen und lange verdrängten Erfahrungen zu konfrontieren. Denn die kommen zurück, ob man will oder nicht, durch sie spricht unsere dunkle Seite, die wir gerne übersehen, zu der es manche von uns jedoch regelrecht hinzieht. Und Musik kann der wundertätige Schlüssel dazu sein Dinge zu be- und verarbeiten, für die man keine Worte findet, auch Bandkopf Ralph Schmidt hat dies in vielen Interviews bestätigt…