Schlagwort: Post-punk

DOOL – The Shape Of Fluidity

Wir leben in ungeheuer wechselhaften Zeiten. Der Turbo des Kapitalismus und die Gier nach Macht haben nicht nur die Erde in Brand gesetzt, alte und neue Kriege geschürt und tiefe Klüfte in unsere sozialen Gefüge geschlagen, durch sie und die immer rasantere digitale Entwicklung ist Stabilität auch in der Weltpolitik und globalen Wirtschaft zum Fremdwort geworden, . Für viele Menschen auf diesem Planeten verändert sich ihre Welt schneller als sie es erfassen können, und all diese Unwägbarkeiten treiben Verunsicherte, die sich nach den vermeintlich guten alten Zeiten sehnen, in die Arme von Demagogen. Der starke Mann soll es richten, dabei haben wir es doch letztlich alle selbst in der Hand, wie wir mit Veränderungen umgehen.

Der griechische Philosoph Heraklit wusste schon 500 v. Chr. vom Panta Rhei, „Alles fliesst“, ist ständig in Veränderung und die alltägliche, nur scheinbare Erfahrung von Stabilität und Identität ist irreführend, da im Grunde das Ergebnis ständiger Bewegung. Leider wurde seine Lehre wie auch das sogenannte Flussfragment „Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen“ von seinen Nachfolgern nicht als der natürliche Prozess beständigen Werdens und Wandels, als die spannungsgeladene Einheit der Gegensätze interpretiert, die in ihrer Polarität jederzeit ineinander umschlagen…

SONJA – Loud Arriver

Die meisten Menschen leben bis zum Tod mit dem Namen, der ihnen von ihren Eltern gegeben wurde, doch immer mehr wählen irgendwann passend zu ihrer wahren Identität einen, der das ausdrückt, wer sie wirklich sind. Melissa Moores Vorname ist natürlich viel mehr als nur eine Reminiszenz an das epochale MERCYFUL FATE-Debüt und Ausdruck ihres durch und durch vom Heavy Metal geprägten Lebens, sagt jedoch auch sehr viel über ihre Persönlichkeit aus. Dasselbe tut ‚Loud Arriver’, ein Debüt, das man so von drei bisher fest im extremen US-Black/Thrash/Death Metal verwurzelten MusikerInnen nicht erwartet hätte.

Dreh- und Angelpunkt bei SONJA ist Melissa Moore, ebenso aktiv als Donna Violence bei den blasphemischen CROSSSPITTER, bei den Thrashern RUMPELSTILTSKIN GRINDER und einem grösseren Publikum bisher vor allem bekannt als Vis Crom, langjähriger Gitarrist und Songwriter bei ABSU. Es war fast unmöglich, das erbärmliche Schmierentheater um Moores Rauswurf von den texanischen Occult-Blackthrashern zu ignorieren, nach ihrem öffentlichen Einsatz gegen die 2018 von den Republikanern unter Trump geplante extrem restriktive Gender-Gesetzesnovelle, die die gesellschaftliche Stimmung gegenüber Transgendern in den USA noch aggressiver als bisher…

IN TWILIGHT’S EMBRACE – Lifeblood

Typisch für den zeitgenössischen atmosphärischen Black Metal aus Polen ist ja eine alles durchdringende industrielle Kälte und fast maschinenhafte Ausführung bei zwischen Resignation und Nihilsmus pendelnder, oft auch ritueller Stimmung. Wenn sich eine Band jedoch seit ihrer Gründung 2003 stilistisch vom Metalcore über Gothenburg-Melo/Death Metal schliesslich zu Blackmetallern entwickelt, haben sie schon rein technisch einiges mehr in der Hinterhand als ein reiner BM-Act, kompositorisch sowieso. Was bei ‚Lifeblood’ sofort auffällt ist der extreme Technikfokus bei trotzdem durchweg melodiebetonten Arrangements, fesselnden Dynamikwechseln und einem sehr eigenständigen Stil. Sicher, eine Nähe zu BLAZE OF PERDITION aber auch MORDASTIGMATA ist nicht zu verleugnen, was jedoch auch an personellen Überschneidungen mit Ersteren liegt, und natürlich der gemeinsamen Szene.

Doch tatsächlich sind IN TWILIGHT’S EMBRACE musikalische Kosmopoliten, die ebenso viel vom schwedischen wie französischen sowie südeuropäischen Extremmetal in ihre eigene Melange einfliessen lassen, wie sie sich auf ihre Herkunft besinnen. Heraus kommt eine sehr moderne Interpretation des Genres voller Gegensätze, die sich zu einem passgenau einzig- und neuartigen Sinneseindruck vereinen, der überaus stimmig, schon durch seine Hochgeschwindigkeit im Kontrast zu spannungserzeugenden Breaks und mächtigen Lowtempo-Parts mitreissend und vor allem originell ist…

ULTHA & UNRU live

Wisst ihr noch, wie Bühnennebel riecht? Ich hatte das komplett vergessen, und das hat mir nochmal gezeigt, was die vergangenen zwei Jahre im Höhlen-Rückzugsmodus mit mir gemacht haben. Wie viel ich komplett verdrängt hatte, was zuvor einen riesigen Teil meines Lebens ausgemacht hat, und eben gerade den, der mir am meisten gibt. Livestreams sind schön und gut, aber eben allermeistens auch nur steriles TV, eine Krücke, Musikporno.
Sicher, auch ich habe mich drüber gefreut, in all der seltsamen Zeit Bands auf diese Weise überhaupt mal zu sehen, aber genau das, was Konzerte so auszeichnet, die Vorfreude, die Gemeinschaft, das Leute treffen und reden, und vor allem die immer wieder neu und anders entstehende Energie zwischen Band und Publikum, das Grummeln der Bässe in den Füssen, das sich auch körperlich in die Musik fallen lassen, die Entdeckungen am Merchtisch und natürlich auch der Nackenmuskelkater am Tag danach – all das fehlte mehr als schmerzhaft.

Umso besser, dass sich bei der UNRULTHA-Tour nun alle Beteiligten Riesendosen an Nebel einfahren konnten, und natürlich auch alles andere, was eben so dazugehört. Neun Dates in Deutschland mit kurzen Abstechern nach Holland und Österreich, so kann man seine Osterferien auch verbringen, vor allem wenn man mit Freunden unterwegs ist…

UNRULTHA Tour 2022

Kommenden Freitag startet in Berlin für alle, die noch einen viel zu lang ungenutzten Vorrat an Schmerzsalbe für die Nackenmuskeln daheim haben, die perfekte Tour, um wieder besser in Form zu kommen: UNRULTHA!

Endlich wieder moderner Black Metal & dessen Genregeschwister live, und so abwechslungsreich und vielschichtig wie nur möglich – atmosphärisch, geblastet, dissonant, episch, mit Punk- und Post-Punk-Vibes von zwei der schweißtreibendsten und tiefe, wilde Trance erzeugenden Formationen hierzulande. Diese Kombination ist nicht nur durch personelle Verflechtungen so naheliegend und bewährt, vor allem speist sie sich aus ganz ähnlichen Energien, und das überträgt sich natürlich auch aufs Publikum. Seid gefasst auf einen düsteren, emotionalen und vor allem sehr, sehr intensiven Abend.

Beide Bands haben brandneue Alben mit besten AOTY-Chancen im Gepäck, UNRU das vielsagende ‚Die Wiederkehr des Verdrängten‘ und ULTHA nach zwei Jahren selbstgewählter Pause den meisterhaften Abschluss ihrer Trilogie, die sich von  ‘Converging Sins’ über ‘The Inextricable Wandering’ zu ‚All That Has Never Been True‘ (zum Review gehts hier) spannt, womit auszugehen ist, dass auch der eine oder andere neue Song zu hören sein wird. Zudem gibts als Zugabe in manchen Städten…

UNHOLY PASSION FEST IV: ULTHA, ENDSTILLE, GOLD, TURIA, NAXEN

Alles hat irgendwann ein Ende – zum vierten und letzten Mal richten ULTHA ihr „Unholy Passion Fest“ im Kölner Gebäude 9 aus, und feiern damit gleichzeitig ihr fünfjähriges Bühnenjubiläum. Auch rings um das bereits teilweise renovierte alte Fabrikgebäude zeigt sich der Umbruch durch große Abrissgruben und Bauzäune, fast die gesamte ehemalige Industriebrache wird gerade zu einem Wohngebiet umgewidmet, doch drinnen im glücklicherweise erhaltenen Club ist es gemütlich wie immer am ersten Dezemberwochenende.
Einen großen Aufwand hat die Band im Vorfeld betrieben, galt der heutige doch als der möglicherweise letzte Auftritt in der Karriere der Kölner. Das „möglicherweise“ kann gestrichen werden, es stehen schon jetzt Festivalauftritte in 2020 fest, doch eine Zukunft der Band weiterhin in den Sternen. ULTHA haben für ihren heutigen Auftritt sogar eine Umfrage gestartet, in der jeder Fan sich ihren oder seinen jeweiligen Lieblingssong wünschen konnte, denn sie werden ein überlanges Set von 90 Minuten spielen, wozu zusätzlich noch diverse Gäste angekündigt wurden. Doch zuerst kommen, wie es schon in den vergangenen Jahres Usus war, vier befreundete Bands zum Zuge bei einem schon seit längerem komplett ausverkauften Festival.
Den perfekten Anfang macht dabei eine Band aus dem direkten Umfeld der Kölner, hat doch NAXEN-Mainman Lars zuvor mit Chris zusammen bei GOLDUST gespielt, sich wie dieser dann jedoch komplett dem Black Metal gewidmet. Die Herkunft aus dem…