UNHOLY PASSION FEST VI

  • Was? Jährliches Familientreffen von ULTHA, befreundeten Bands und deren Fans

  • Wann? 03.12.2022

  • Wo? Gebäude 9, Köln

ccc

Annual festival for dark and gloomy sounds; and this time more than ever “a family thing”

Unholy passion I feel for you…,

ja, dieser Ohrwurm wird seit dem vergangenen Wochenende viele beglücken, die zur jährlichen Düstermesse, dem UNHOLY PASSION FEST VI, ins Gebäude 9 gepilgert waren. Zum ersten „richtigen“ Festival nach der Corona-Zwangspause, folglich auch als sechstes gezählt und wie immer von ULTHA mit befreundeten und/oder neu entdeckten Bands organisiert. Und wer bisher nicht wusste, wieso das Ganze eigentlich so heisst, wie es heisst, konnte heute seine entsprechende Lektion lernen, aber dazu später…

Bis auf eine Handvoll Karten ausverkauft ist dieser kalte Kölsche Winterabend, so sehr ist das erste Dezemberwochenende als Fixpunkt im Kalender der Fans verankert, ein Abend, an dem immer wieder ganz Spezielles geboten wird und den man daher nicht verpassen will, zu dem daher auch regelmässig Leute aus ganz Europa kommen, die sich zur ULTHA-Familie zählen, diesmal aus (Bandzitat) “Germany, the Netherlands, Belgium, France, Poland, Denmark, Türkiye, Appenweier, the UK and even the US”. Darauf, dass das Lineup passt, kann man sich verlassen, trägt die Bandauswahl doch stets die Handschrift dieser fünf Musiker und ist damit innovativ, ausgefallen und vor allem hochklassig. Drei Bands haben sie diesmal eingeladen, eine davon war bereits im Frühjahr mit den Kölnern unterwegs – UNRU aus Berlin, die mit Lars sogar eine personelle Überlappung mit den Kölnern haben. Wer auf der UNRULTHA-Tour dabei war, hat erlebt wie gut beide Bands befreundet sind, miteinander harmonieren und sogar problemlos gegenseitig einspringen können, diese Wahl lag daher auf der Hand.

Andere Kandidaten fürs Unholy Passion sind oft Bands, die sie als lokalen Support auf Tour kennen und schätzen lernten, oder solche, die ihnen als besonders interessante Newcomer aufgefallen sind wie diesmal LOA†HER aus Wien und DEATHSOMNIA aus UK und Estland. Die Österreicher übernehmen den ersten Slot und verdunkeln das Gebäude 9 sofort zutiefst mit ihrer speziellen Mischung aus düsterem Alternative-Doom, Post-Rock und depressiv angehauchtem Black Metal, wobei diese Beschreibung den weiten Soundkosmos der Österreicher nur unzureichend beschreibt. Da ist noch viel mehr, vor allem sehr viel ganz Eigenes (jeder der Musiker singt abwechselnd in seinem individuellen Stil!), was man in dieser Art noch nicht gehört hat, was völlig frei zu sein scheint von dem Wunsch zu gefallen, und auch von jeglichem Zeitdruck oder -geist. Diese Vier musizieren selbstbewusst vor allem für sich selbst, setzen das, was sie bewegt, in fremdartige und doch heimelige Klänge mit vielen Kontrasten um, und die dadurch geschaffene Atmosphäre wiederum dockt am Publikum an, zieht es in den Bann zwischen Tiefenentspannung und Resignation. Kein Wunder, dass sie in Linz als Vorgruppe für ULTHA gebucht wurden, denn ihre Liebe zu komplexen Songs mit viel Harmonie & Hall, ständigen Dynamikwechseln und gerne auch unscharfen Klangkonturen prädestiniert sie dafür, und auch heute, bei ihrem ersten Auftritt in Deutschland, werden sie vom Publikum entsprechend begeistert willkommen geheissen. Ein perfekter Einstieg in den Abend! Und wer mehr von LOA†HERs neuem, härteren Stoff hören mag, kann sich auf die kommende Scheibe, die 2023 bei Vendetta Records erscheinen wird, freuen…

Setlist LOA†HER

  • Nebel (Intro)
  • New Mourning
  • Stable Mind
  • Like Trees
  • Holler Your Name
  • Mortuary
  • Ain‘t Talkin‘ ‘Bout Love (Van Halen)
  • Ephemeral

Als nächste entern UNRU die Bühne, es wird blau, aber innerlich tiefschwarz. Die Berliner Band führt heute einmalig ihr phantastisches 2022er Album ‚Die Wiederkehr des Verdrängten’ in toto auf, und wer es nicht kennt, mag getäuscht werden durch das hochatmosphärische Intro ‚Kråkstad’, das sich mit Elinas Engelsgesang und Keyboardkünsten ins Ohr schmeichelt, nur um im Folgen Raum zu geben für die sich in den folgenden vier Longtracks aufbauenden Sog aus Dissonanz, Verzweiflung und Brachialität, immer wieder gebrochen durch grosse, ja epische Melodien und doomig-repetitive Ruhephasen. UNRU bringen die vibrierende Vielschichtigkeit und Komplexität dieser Platte mit vollem Körpereinsatz (keine Ahnung wie Schlagzeuger Hendrik diese Wahnsinnsgeschwindigkeiten bei gleichzeitiger Präzision durchhält…) und drängender Wucht auf die Bühne, dem Publikum bleibt nichts andres übrig als sich in diesen unendlichen Strudel fallen zu lassen, und erstaunlicherweise sanft von ihm durchgeknetet und getragen zu werden. UNRU, das ist gleichzeitig eine gigantische Soundwand und ein weiches Wolkenbett aus Melancholie wie ‚Hungersteine’, die bestmögliche Art abzuschalten und sich rein musikalisch wegbeamen zu lassen. Das Publikum feiert sie vom ersten Ton an und treibt sie zu noch mehr Intensität, noch extremeren Höhen und abyssaleren Tiefen an, hier stimmt heute einfach alles und der Auftritt des absolut souveränen und perfekt abgestimmten Quintetts wird zum energetischen und emotionalen Höhepunkt des frühen Abends. Danke für dieses intensive und seelenerwärmende Erlebnis!

Setlist UNRU

  • Kråkstad         
  • Die Wiederkehr des Verdrängten
  • Der Hauch der Freiheit
  • Hungersteine
  • Eintausend Stimmen

In eine komplett andere Richtung geht es nun mit DEATHSOMNIA, die leider sportunfallbedingt (Gute Besserung an Bruno Russo!) nur als Duo nach Köln kommen konnten, was es trotz aller elektronischen Einspieler für den von TELEPATHY bekannten Richard Powley deutlich schwieriger macht, die Musik – einen in die Beine gehenden Mix, den Russo selbst einmal „A heavy band playing Depeche Mode covers” nannte, so druckvoll wie üblich auf die Bühne zu bringen, auch wenn er und Sängerin Kadri Sammel mit vollem Einsatz dabei sind. Andersherum muss man jedoch konstatieren, welche Leistung es ist, ein drittes Bandmitglied an der Gitarre einfach mal zu ersetzen! Wenn sich wie hier drei MultiinstrumentalistInnen aus so verschiedenen Hintergründen wie Metal, Hardcore und Elektronik zusammentun kann es sogar gelingen, ein vorwiegend Blackmetal-fokussiertes Publikum zum (verhaltenen, aber immerhin!) Tanzen zu bringen. Harte Industrial-Beats treffen bei DEATHSOMNIA auf riffgetriebene Songdynamik, coldwavige Syntharrangements und eine betörende Stimme, Kadri tanzschreitet singend und haareschwingend über die Bühne und Richard ist ebenfalls ständig in Bewegung, bearbeitet sämtliche elektronischen Instrumente mit der umgeschnallten Gitarre, wenn er diese nicht gerade in den Händen hat. Klingt stressig, kommt aber sehr entspannend und hypnotisch rüber. In voller Besetzung knallt das Trio sicherlich noch einen Gang mehr, doch Respekt, dass sie dieses Wagnis eingegangen sind; vielleicht gibt es nochmals eine Gelegenheit, sie in vollständiger Besetzung live zu erleben.

Setlist DEATHSOMNIA

  • Deo Non Fortuna
  • Celebrity Lifestyle (SWANS cover)
  • Dysphoria
  • Katabasis
  • Self-Sabotage
  • Akinesia
  • Wastelands
  • Void Oblivion

Und dann endlich ULTHA. Im Vorfeld hatten sie angekündigt, genau wie UNRU ihr neues Album ‚All That Has Never Been True’ komplett aufzuführen, plus „etwas Neuem und etwas Altem“, mit einer Gesamtspielzeit von 90 (!!!) Minuten. Da lässt sich natürlich fabelhaft spekulieren, womit sie uns diesmal wieder überraschen werden… bei mir herrscht zuerst mal Mitleid vor, mit Manu und auch mit den beiden noch in Genesung befindlichen Lars und Chris, und was die Überraschung angeht kann man dank Antisocial Media zumindest schon mal eine vage Idee haben, wer da noch beteiligt sein könnte. Ich freue mich aber vor allem auf meinen Lieblingssong von ATHNBT, den es heute das erste Mal live zu erleben geben wird: ‚Bathed In Lightning, Bathed In Heat’! Ob er seinem Namen alle Ehre machen wird, werden wir sehen… zuerst ergreift nun Ralph das Mikro und richtet wie üblich ein paar Worte an die ULTHA-Familie.  „Storytime with Ralph“ nennt er das…

Er erinnert an die 2019er Ausgabe des UHPF, an dem er ankündigte, ULTHA auflösen zu wollen, und macht deutlich, dass Manu und Chris als zwei seiner langjährigsten Freunde ihn in einem langen Gespräch davon überzeugen konnten, dies nicht zu tun und stattdessen eine Pause einzulegen – die die Pandemie dann sowieso zwangsweise verordnete. Dass es eine neue Veröffentlichung geben würde, war beim letzten Festival (zum UHPF-Livebericht aus 2019 geht es hier) jedenfalls nicht zu erwarten, doch machte diese Unterbrechung nicht nur das Durchstarten von Ralphs und Manus Darkwave-Band ROPES OF NIGHT möglich, sie brachte schliesslich auch ULTHA wiedererstarkt und voller neuer Kreativität zurück, dazu nun noch mit einem meisterhaften Album, das sie so frei von stilistischen Limitierungen wie noch nie zuvor zeigt, und uns kurz vor den Feiertagen einen gigantischen Auftritt bescheren wird…

Wer diese Konzeptplatte zum Thema Tod und Sterben und ihren Aufbau kennt, weiss, dass sie am besten komplett in einem Stück funktioniert, und dies live zu erleben ist in der Tat ein aussergewöhnliches Geschenk. Wie im Gebäude 9 üblich ist der Sound perfekt, genügend Nebel auch vorhanden, so dass die 58 Minuten Wechselbad zwischen totaler nackenbrechender Verzweiflung, tiefster Angst und süsser Hoffnung wie im Fluge vergehen, wie erwartet ist ‚Bathed…’ ein absoluter Höhepunkt, aber auch das dissonant-schräge ‚Carrion’, ebenfalls zum ersten Mal live gespielt, kommt sehr gut, Chris kann zwar momentan nicht headbangen, singt dafür jedoch umso engagierter, und die Band ist tight wie gewohnt, angetrieben von Konditionswunder und Uhrwerk Manu. Die grosse Bandbreite an Stilen auf ATHNBT kommt live nochmal intensiver rüber und präsentiert die enorme Musikalität der fünf Kölner, im Publikum wird genauso gebangt wie getanzt, alle gehen mit, feiern und bejubeln jeden Song bis zum grossartigen kathartischen Ende ‚Rats Gorged The Moon…And All Fell Silent’, das im typischen Wechselgesang zwischen Chris und Ralph, kräftig unterstützt von Andy an den Synths, diesen dritten Teil der Albumtrilogie beendet. Totale Begeisterung beim Publikum, ULTHA sind mit einem Paukenschlag zurück!

It’s A Family Thing!

Doch sie wären nicht sie selbst, wenn es ihnen ausreichen würde „nur“ die neue Platte durchzuspielen. Schon in der Rede zu Beginn hat Ralph die „ULTHA-Familie“ beschworen, bestehend aus Bandmitgliedern, Angehörigen, den eingeladenen MusikerInnen, dazugehörigen Künstlern wie Graphikern und Layoutern, Organisatoren und Helfern wie Underdog Recordstore und der Gebäude 9-Crew, Stefan Klose und seinen Vendetta Records, und nicht zuletzt den loyalen Fans, die alle zusammen ermöglichen und bestärken, dass dieses Quintett, dass sich einst „You Exist For Nothing“ auf die Fahnen geschrieben hat, weit mehr als nur eine Existenzberechtigung hat. Zur Familie gehören auch viele befreundete Musiker, und einer davon ist dieses Mal extra aus New York angereist, um den SAMHAIN-Song zu covern, der dem Festival seinen Namen gab: Michael Hill von TOMBS, bei dessen ‘Everything Went Black’-Podcast Ralph regelmässiger Gast ist (und auch mit ihm seine heutige UHPF-Erfahrung und die Geschichte hinter dem Unholy Passion Fest hier diskutiert, hört euch das an!).

So weht auf einmal ein erfrischender Horror-Gothic-Wind durch das Gebäude 9 und ins Tanzbein der Fans, animiert zum Mitsingen und nistet sich schliesslich als oben erwähnter Ohrwurm ein – doch prompt servieren uns ULTHA im Anschluss ihren ganz eigenen Hit, nämlich das unschlagbare ‚Fear Lights The Path…’, und unter frenetischem Jubel endet ein ergreifender, langer und hochintensiver Gig, der das Konzertjahr mit Grandeur beendet.

Wer noch nicht zugegriffen hat, kann beim Rausgehen noch FORGET EVERYTHING AND REMEMBER (The Lost And Obscure)’, den heute erschienenen Sampler aller Songs, die ULTHA ausserhalb der Alben veröffentlicht hat, ab- oder bei anderem Merch zugreifen, bevor sich alle beseelt und müde auf den Heimweg machen.

Das Datum des siebten Unholy Passion Fests steht mittlerweile auch fest, und wieder gibt es Neuerungen: dann werden es nämlich sogar zwei Tage, der 1. und 2.12.2023, sein – merkt es euch schon mal vor, denn fest steht: wer einmal dabei war, kommt wieder!

Setlist ULTHA

  • Dispel
  • Der Alte Feind (Jeder Tag Reißt Wunden)
  • Bathed In Lightning, Bathed In Heat
  • He Knew And Did Not Know
  • Carrrion (To Walk Among The Spiders)
  • Haloes In Reverse
  • Rats Gorged The Moon…And All Fell Silent
  • Unholy Passion (SAMHAIN-Cover feat. Mike Hill)
  • Fear Lights The Path (Close To Our Hearts)

Bandinfos:

loathermusic.bandcamp.com
https://www.facebook.com/Loatherband

https://unru.bandcamp.com
https://www.facebook.com/unruband

https://deathsomnia.bandcamp.com
https://www.facebook.com/deathsomnia

ultha.bandcamp.com
templeofultha.com
https://www.facebook.com/templeofultha/

https://vendettarecs.wordpress.com
https://www.facebook.com/vendettacult

All pics © by UltraViolet

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  1. […] nochmal zusätzliche Arbeit bekam, man damit jedoch den Fans eine unerwartete Überraschung zum UNHOLY PASSION FEST VI bieten konnte, die dort auch sehr gern und fleissig erworben wurde. Zwei CDs mit 135 Minuten […]

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