THE LΩVECRAFT SEXTET – Black†White (EP)

Stil: Free Jazz-Doom-Noise-Fingerübung vom Meister des Darkjazz

Ein kurzes, aber umso geschmackvolleres mehr Free Jazz- als Doomhäppchen mit Black Metal-Cuvée serviert uns der nimmermüde Jason Köhnen (BONG-RA, MANSUR, ex-THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE, CELESTIAL SEASON, THE ANSWER LIES IN THE BLACK VOID) mit den zwei Songs ‚Black’ und ‚White’ der gleichnamigen 7“ direkt nach der “first ever recorded Doomjazz Blackmass“ namens Miserere.

Eher eine Single als als eine echte EP, inspizieren die beiden rein instrumentalen Songs von ‚Black†White‘ (fast rein instrumental, ‚White’ hat wenige Sprechvocals à la Miserere) die Ursprünge und Inspirationen des Blackjazz. Multiinstrumentalist Köhnen, wiederum unterstützt von Colin Webster am Saxophon, zieht Parallelen zwischen den spirituellen und stilistisch sehr offenen Saxophonisten und Free-Jazz-Wegbereitern Albert Ayler sowie Pharoah Sanders, und dem spacig-okkulten prä-Warmetal der Finnen BEHERIT, die sich nicht scheuten, elektronische Elemente in ihre rohe Black Metal-Gangart zu integrieren. Ähnliche Gedanken hatte John Zorn, als er NAPALM DEATHs Frühwerk beobachtete und in der Folge zusammen mit deren ehemaligem Schlagzeuger Mick Harris und Bill Laswell die Intensität und Geschwindigkeit von Grindcore mit Ambient, Noise und Jazz zu PAINKILLER verschmolz.

Köhnen sieht ebenfalls eindeutige Parallelen zwischen Free Jazz und extremen Metal-Spielarten: „For me there is a lot of connection between free Jazz and Black Metal: the chaos, speed and noise. I hear a clear musical relationship between free Jazz, Black Metal and early Grindcore as well – they are all raw and primitive sounding.”, und in den vergangenen Jahren haben dies unter anderen Bands wie WHITE WARD oder SHINING (NOR) untermauert. Wie sein Verständnis dieser Verwandtschaft nun genauer aussieht, zeigen die beiden vorliegenden Tracks.

Während ‚Black’ mit viel düsterer Atmosphäre und seelenvollem klassischem Jazz einsteigt, nur um dann in einem Ausbruch von ungerichtetem Chaos und Dissonanz zu explodieren und doch wieder sanft zu enden, Colin Webster folgt Albert Ayler dabei sehr eng, widmet THE LΩVECRAFT SEXTET sich in ‚White’ dem Schaffen der Avantgardisten von PAINKILLER, indem hier Elektronik und basslastiger Metal viel Raum finden und einen unheimlichen bis grausigen Soundtrack mit plötzlichem Überraschungseffekt erzeugen, der die Klimax von ‚Black’ auf deutlich extremere, ungezügeltere Weise wiederaufnimmt; nur Black im Sinne des Metal ist hier wenig zu finden. So ergänzen sich die beiden Pole, indem sie entsprechend dem Yin-Yang-Prinzip ineinander übergehen – nichts steht für sich allein, alles war bereits einmal da, und auch das innovativ Neue folgt stets dem Alten, und ebenso nivellieren sich die noch so stark erscheinenden Kontraste des Jazz und extremen Metals, wenn man sie von der rein strukturellen und klanglichen Warte aus betrachtet. Somit ist ‚Black†White‘ gleichzeitig Würdigung der Wurzeln des Darkjazz als auch philosophische Betrachtung dessen, was den Kern, die Essenz anspruchsvoller Musik ausmacht. Es bleibt spannend, welchen Fragen sich THE LΩVECRAFT SEXTET im Zukunft zuwendet.

Bandinfo:

THE LOVECRAFT SEXTET sind Jason Köhnen (Instrumentierung) und Colin Webster (Saxophon), sowie wechselnde GastinterpretInnen.

Diskographie

In Memoriam (LP, 2021)
Nights Of Lust (LP, 2022)
Miserere (LP, 2022)
Seekers Who Are Lovers (Tribute to Cocteau Twins) (Track, 2022)
Black†White (7″ EP, 2023)

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.