MESSA und JULINKO – Tourstart 2023 in Karlsruhe

Norditalienische Freigeist-Doomster starten ihre diesjährige Europatour, unterstützt von einer faszinierenden Solokünstlerin

Ich kann es nicht oft genug sagen: Leute, geht auf Konzerte, nur das ist das wahre Leben! Nicht nur dass man immer unerwartete Leute wiedertrifft, mit Freunden zusammenkommt und einfach Spass miteinander hat, man lernt auch ständig tolle neue Bands kennen – wie heute JULINKO, eine Solokünstlerin ebenfalls aus dem Veneto, die MESSAs diesjährige Mitteleuropa-Tour eröffnet. Ich wusste zuvor nicht mehr als dass es poetisch werden sollte mit ihr, aber tatsächlich wurde es transzendental, ihr Auftritt fand in einer anderen Sphäre statt, entführte in ihre Phantasiewelt mit all ihrem Licht und Schatten.

JULINKO arbeitet mit ihrer Stimme, ihren Gitarren, Effekten, allen voran natürlich Hall, sparsamer Percussion und vor allem mit Loops, doch wer nun an LILI REFRAIN denkt, liegt falsch, obwohl es zweifellos Parallelen zwischen den Beiden gibt. Sie nutzt bei dem heutigen Auftritt ihre Stimme wie ein weiteres Instrument, und da ist sie eine Virtuosin. Sie zirpt, zittert, bebt, lässt die Töne durch Kopf, Kehle und Brust wandern und wird selbst zum Stimmorgan, ihrem Experimentieren sind dabei keine Grenzen gesetzt. Dazu begleitet sie sich auf der Gitarre, die sie ebenfalls auch gerne unkonventionell für ewig wabernde Drones und andere eindrucksvolle Effekte benutzt. Es ist eine Exploration des hörbaren Raumes, seine Grenzen austesten ohne dass diese vorhanden wären, ein Spiel mit sich selbst und ein Spiegel ihres Innenlebens, bei dem sie zwischen negativen Emotionen, Schreck, Unsicherheit, Angst, Wut und auf der positiven Seite Erstaunen, Freude, Genuss und Lust hin- und herpendelt, und all dies allein durch Modulation ihrer Stimme ausdrückt. So ihr Herz auszuschütten macht ihr sicht- und hörbar viel Freude, wobei sie zwischen völlig selbstbezogenen Phasen, in denen sie wie nachtwandelnd, eben mit offenen Augen träumend wirkt mit solchen, in denen sie das Publikum mitnimmt, wechselt. Wollte man Vergleiche anstellen, kommt BJÖRK in den Sinn, andere Stimmen nennen Lisa Gerrard und Diamanda Galas. Ein faszinierendes, verzauberndes Erlebnis, das wohl jeden Abend anders ausfällt und sich nur schwer bis unmöglich konserviert vorstellen lässt. Dass sie auch gerne mal lauter, verzerrter, droniger wird macht sie zum perfekten Gast von MESSA, und sie geben ihr viel Zeit, sich voll zu entfalten und das Publikum somit schon einmal auf Scarlet Doom vorzubereiten.

Ja, MESSA und Karlsruhe, das ist irgendwie eine love story, allein hier habe ich die ItalienerInnen bereits dreimal erlebt, und damit auch die Entwicklung, die die Band in den letzten Jahren genommen hat verfolgen können. Nun stehen sie also nicht mehr auf der kleinen Jubez-Dudefest-Bühne, sondern im neuen P8, das sich zu recht immer mehr zu DEM Underground-Venue in der Fächerstadt entwickelt. Es ist der Tourstart zu fünfzehn Auftritten in Mitteleuropa und UK, und es ist deutlichzu spüren, dass sowohl die Band, die erst letzten Oktober auf dem Heimweg von der Tour einen schweren Autounfall überlebt hat, sich genauso wie die Zuschauer freut, dass sie wieder Konzerte geben können. Die letzten fünf Jahre seit Veröffentlichung ihres zweiten Albums Feast for Water’ waren generell ereignisreich für die sehr liveaktiven Norditaliener, und die Band, die heute auf der Bühne steht hat kaum noch etwas mit den scheuen Newcomern zu tun, wie sie beispielsweise beim 2019er Roadburn oder schon zweimal beim Dudefest 2019 und 2022 zu erleben waren, die Bühnenerfahrung hat aus ihnen ein selbstbewusstes, souveränes Quartett gemacht, das sich bestens kennt und entsprechend tight und lässig agiert.

Mit Close haben sie ein neues Album im Gepäck, das von der Kritik zu recht hochgelobt wurde, und darauf ruht heute auch der Fokus, es werden jedoch auch einige Schmankerl aus den beiden ersten Alben wie ‚Babalon’ oder ‚Leah’ gespielt und, ich nehme es vorweg, sogar ‚Enoch’ von der Split mit BREIT kommt als Zugabe zur Aufführung. Alberto bearbeitet bei ‚Suspended’ seine Gitarre mit dem Geigenbogen, doch leider ist seine Orgel wie schon beim letzten Mal nicht mehr dabei, und Marco bleibt die ganze Zeit beim Bass, der jedoch weiterhin auf die für ihn typische Art per Gitarrenamp verstärkt wird. Die Band, die schon immer anders war, idealistisch, unkonventionell bis spröde, und stets ihr eigenes Ding gemacht hat, sich live teilweise extrem verausgabt hat, hat sich endgültig die jugendlichen Hörner abgestossen und auf ihre Stärken besonnen, und ist nun auf einem neuen, gesetzteren Weg, ohne ihre Herkunft zu vergessen. Man sieht es daran, dass einige Shows bereits im Vorfeld ausverkauft waren – MESSA haben ihren festen Platz in der Doomwelt gefunden, sie sind kein Geheimtipp mehr, sondern entführen mittlerweile eine feste Fanschar in ihre traumhaft samtigen und gleichzeitig vor Heavyness und Distortion nur so bebenden Welten.
Die Songauswahl, unter anderem ‘If You Want Her To Be Taken’, ‘Rubedo’, ‘Pilgrim’, betonte dann auch genau die Kontraste, mit denen sich die ItalienerInnen auf ‚Close’ beschäftigen und die den Kern ihrer Musik ausmachen – das rohe, wilde und verzerrte, aber immer wieder auch völlig in sich ruhende, fast stillstehende Fundament, das Mistyr und Marco legen, Albertos aus der Zeit gefallene, bluesig-jazzige Improvisationen dazu und schliesslich Saras einzigartig samtige und gleichzeitig kraftvolle, verzaubernde Stimme, die immer noch mehr an Ausdruckskraft gewinnt, darüber, das ist der Giftcocktail, der süchtig macht. Lasst euch live davon überzeugen, schaut euch die restlichen Termine auf dem Poster unten an – ihr habt noch bis zum 04.03.23 dazu Zeit, MESSA zu verfallen…

Und als kleinen Einblick in den Abend gibt es hier ein Video von ‘Enoch’…

Bandinfo:

https://messaproject.bandcamp.com
https://www.facebook.com/MESSAproject
https://www.instagram.com/messa_band/

https://julinko.com/
https://julinko.bandcamp.com
https://www.facebook.com/julinko.julinko
https://www.instagram.com/julinko.imago/

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