SONJA – Loud Arriver

  • Veröffentlichung: 23.09.2022

  • Vertrieb: Cruz del Sur Music

  • Versionen: Digital, CD, Vinyl

Stil: Mal mehr Dark Rock, mal mehr Metal, aber immer heavy as fuck!

Die meisten Menschen leben bis zum Tod mit dem Namen, der ihnen von ihren Eltern gegeben wurde, doch immer mehr wählen irgendwann passend zu ihrer wahren Identität einen, der das ausdrückt, wer sie wirklich sind. Melissa Moores Vorname ist natürlich viel mehr als nur eine Reminiszenz an das epochale MERCYFUL FATE-Debüt und Ausdruck ihres durch und durch vom Heavy Metal geprägten Lebens, sagt jedoch auch sehr viel über ihre Persönlichkeit aus. Dasselbe tut ‚Loud Arriver’, ein Debüt, das man so von drei bisher fest im extremen US-Black/Thrash/Death Metal verwurzelten MusikerInnen nicht erwartet hätte.

Dreh- und Angelpunkt bei SONJA ist Melissa Moore, ebenso aktiv als Donna Violence bei den blasphemischen CROSSSPITTER, bei den Thrashern RUMPELSTILTSKIN GRINDER und einem grösseren Publikum bisher vor allem bekannt als Vis Crom, langjähriger Gitarrist und Songwriter bei ABSU. Es war fast unmöglich, das erbärmliche Schmierentheater um Moores Rauswurf von den texanischen Occult-Blackthrashern zu ignorieren, nach ihrem öffentlichen Einsatz gegen die 2018 von den Republikanern unter Trump geplante extrem restriktive Gender-Gesetzesnovelle, die die gesellschaftliche Stimmung gegenüber Transgendern in den USA noch aggressiver als bisher schon werden liess. Dieses politische Engagement sowie ihr Coming Out als Transfrau veranlasste die alten weissen Männer um Proscriptor McGovern im Folgenden zu unschönen Rangeleien um Songrechte, der mehrfachen Änderung des Bandnamens bis hin zur finalen Auflösung von ABSU.

Da passte es gut, dass mit SONJA bereits seit 2014 ein neues Projekt zu gedeihen begonnen hatte, stilistisch völlig anders verortet und vielleicht auch gerade deswegen allen drei Protagonisten passgenau auf den Leib geschneidert. Moore war früher als Livebassistin bei den ebenfalls aus Philadelphia stammenden US-Blackmetallern von WOE aktiv, und damit bereits mit den zwei anderen Mitgliedern des neuen Powertrios bekannt, Ben Brand, später auch bei TOMBS am Bass, war dort ihr Nachfolger; bei SONJA übernimmt er nun zudem die Synthesizer. WOE-Drummer Grzesiek Czapla ist als langjähriger Musikerkollege in vielen Bands Freund und Partner in Crime, war bereits zu Demozeiten mit dabei und verleiht nun auch ‚Loud Arriver’ seinen besonderen Punch und Drive.

SONJA klingen zwar nach Westcoast, doch kein bisschen nach kaltem Cascadia, sondern vielmehr nach Sunset Strip an einem schwülwarmen Spätsommerabend und gleichzeitig nach gothisch-britischem 80er Rock, die hauptsächliche Ingredienz ihres musikalischen Mixes ist jedoch weder Glam noch Post Punk, sondern das, was Heavy Metal in den letzten Dekaden des vergangenen Jahrtausends war: leidenschaftliche, gefährliche und unangepasste Outsidermusik, die Stadien füllte mit hingebungsvollen, extrem loyalen Fans, die scheuklappenfrei alles Mögliche hörten, was gerade gefiel, ohne es (und auch sich selbst…) sofort in Genreschubladen einzuordnen, sondern gemeinsam die klassischen grossen Bands anbeteten und für jede Möglichkeit dankbar waren, zusammen mit Gleichgesinnten ihre „wir gegen den Rest“-Musik abzufeiern.

Und vielleicht macht genau dieses miteinander Aufgehen in der Musik, das einzigartige Gemeinschaftsgefühl auch die aktuelle Rückbesinnung auf den klassischen Heavy Metal nicht nur in den USA aus, in dem auch SONJA eine ganz individuelle Nische hinten im Separée der mystisch-dunklen Gefilde besetzen. Ihre Musik passt perfekt auf den knallvollen Dancefloor eines verschwitzten Metalclubs (ach, wie sehr ich sie vermisse!!!) und die aufgedrehten frühmorgendlichen Autobahnfahrten heim von denselben (‚Fuck, Then Die’), wird aber genauso gut live auf einem Sommerfestival zünden. Wenn die Band sagt: „we prioritize hooks above all“ ist das nichts als die Wahrheit und ‚Nylon Nights’ ihr Kronzeuge, aber diese Eingängigkeit kommt zusammen mit einer lebenshungrigen Sinnlichkeit, die Lust an jeglichem Spiel in dicken Lettern auf ihre Regenbogenfahne geschrieben hat (und die Melissa Moore auch mit ihrem Klamottenshop namens „Toxicfemme“ auslebt). Melancholische Wohlfühlmusik, so widersprüchlich und mehrdeutig wie ehrlich, doch stets mit einem bittersüssen Nachgeschmack, wie ein mitternächtlicher, eiskalter Negroni (‚Moans From The Chapel’, ‚Pink Fog’).
Man sollte sich jedoch nicht zuviele Feelgood-Klänge vorstellen, denn die volle, gerne auch punkig dreckige Wucht des Powertrios trifft die Hörer mit jedem Song erneut. Es ist Gitarristenmusik, stark auf das variable Riffing und die oft als Twinlinien angelegten variablen Melodien von Gitarre und Bass fokussiert (‚Wanting Me Dead’), und von einem straighten Rock’n’Roll-Schlagzeug nach vorne getrieben. Mit Lyrics, die mehr über ihre Lebenswirklichkeit erzählen als jedes Interview, gibt Moore Einblick in ihr Seelenleben, ihre Kämpfe und Erfolge. Sie, die zuvor nie clean gesungen hatte, hat ihre Stimme für die Leadsängerinnenrolle bei SONJA innerhalb nur eines Jahres trainiert und geformt, so dass hier noch weitere Entwicklung zu erwarten ist.

Musikalisch hat das Trio bereits seinen Weg gefunden, seinen Stil während der Pandemie verfeinert und steht nun mit dem Deal bei Cruz del Sur in den Startlöchern für Touren und Auftritte weltweit, so einzigartig wie universell SONJA klingen, sollten ihnen die Türen ebenso bei vielen Festivals offen stehen. Da die Songs von ‚Loud Arriver’ sämtlich bereits vor der Pandemie entstanden sind, ist zudem bald mit neuer Musik zu rechnen. Melissa Moore kann man nur für ihren Mut und ihre Zähigkeit bewundern, mit denen sie die schwere und belastende Zeit vor und während ihrer Transition in etwas umgewandelt hat, das grösser ist als ihr Schicksal, und nicht nur ihr den Weg in eine bessere Zukunft weist, sondern allen Outsidern da draussen zeigt, wie wichtig es ist stets an sich selbst zu glauben und seine Träume wahr werden zu lassen – gegen alle kleingeistigen Widerstände. Denn die entlarven sich sowieso früher als später selbst…

Bandinfo:

SONJA sind Melissa Moore (Gitarre/Gesang), Ben Brand (Bass) und Grzesiek Czapla (Drums).

https://sonjaband.bandcamp.com
https://www.facebook.com/Sonjabooking

Melissas Bekleidungsshop: https://toxicfemme.net/

Diskographie:

Nylon Nights / Wanting Me Dead (Demo, 2018)
Loud Arriver (LP, 2022)

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  1. […] nach SONJA’s Debüt schon die zweite Cruz Del Sur-Veröffentlichung auf dieser noch jungen und meist beinharten Seite, […]

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