ERIDU – Enuma Elish

  • Veröffentlichung: 14.04.2023

  • Vertrieb: Recordjet

  • Versionen: Digital, CD, Vinyl

Stil: Melodischer Oriental Deathmetal mit einem ordentlichem Schuss schwarzer Epik

Manchmal hört man neue Songs und wird an Bands erinnert, die es in ihrer alten Form nicht mehr gibt, und so ging es mir auch mit dieser Scheibe hier – und wenn die Erinnerung dann nicht trügt und sogar Mitglieder der Vorgängerband beim neuen Projekt involviert sind, hat das etwas von Heimkommen, und ERIDU damit bei mir schon einen Bonus. Tatsächlich hatte ich 2017 noch mitbekommen, dass der Sänger der Münchner Melo-Black-Deather GILGAMESH, die mich im selben Jahr beim Dark Easter Metal Meeting schwer beeindruckt hatten, die Band verlassen hat, die weiteren Entwicklungen dann jedoch nicht mitverfolgt.

Offensichtlich hat Enki – die Bandmitglieder tragen bei ERIDU, benannt nach der ältesten Stadt des Zweistromlandes, sumerische Namen – dann unter anderen mit Leadgitarrist Azag eben diese neue Band gegründet, das Thema Mesopotamien und seine Mythen beibehalten und sich auch musikalisch nicht allzu weit wegbewegt, die orientalischen Elemente und der Mix aus melodischem Black- und Deathmetal bilden weiterhin die Grundlage, zu der jedoch einige neue Elemente hinzukommen.

Da ‚Enuma Elish’ bereits der Zweitling der Münchner ist, muss ich erstmal nachsitzen und das Debüt ‚Lugalbanda’ antesten, das einen förmlich anspringt mit orientalischen, gern dissonanten Harmonien und einem ordentlichen Punch an Aggressivität durch Riff & Rhythmusbetonung, kraftvolles Drumming mit ordentlich Blastbeat-Getriebe. Melodischen, vielschichtigen angeschwärzten, von der Grundstruktur her Schweden-MeloDeath hauen die Bayern hier heraus, positiv fallen die ruhigen Passagen auf, und die durchaus progressiven Elemente gerade in der Gitarrenarbeit, die der Landshuter Schule um OBSCURA & Co. huldigen, auch wenn die Ausrichtung hier eine ganz andere ist. Denn ganz klar wird hier eine Geschichte erzählt, der Gesang wechselt zwischen Growls, Shouts, Klar- und Sprechgesang, und viele zusätzliche Elemente wie weibliche Stimmen, mystische Chöre oder exotische Percussions reichern die rituelle Atmosphäre weiter an. Da ich den Erstling jedoch erst nach dem zweiten Album höre, wird gleich deutlich, dass es sich hier um eine Band handelt, die sich noch selbst sucht und ausprobiert, auch wenn die bereits sehr eingängig komponiert und auftritt (‚Astral Warfare’!!!), was ihnen immerhin auch einen Auftritt beim norwegischen Inferno Festival einbrachte.

Und nun also ‚Enuma Elish’, der babylonische Weltentstehungsmythos um den Aufstieg des Stadtgotts Marduk zum Alleinherrscher über das Zweistromland. Ich hoffe für die Band, dass sie nicht auch ihre Vorfahren ermorden musste, um diesen riesigen Schritt hin zu einem etablierten Namen zwischen den Genregöttern zu tun, die neben MELECHESH ebenso CRESCENT, ORPHANED LAND, MEPHORASH, KEEP OF KALESSIN, aber auch BEHEMOTH umfassen, in der Heimat finden sie sich neben BESTIALIS und SUMERIAN TOMBS, die sich trotz thematischer Überschneidungen mit ihrem jeweiligen Stil voneinander absetzen, wieder. Und bringen vor allem ihre ganz eigene Interpretation sumerischen Extremmetals ein, die deutlich an Komplexität und, themenentsprechend, auch Selbstbewusstsein gewonnen hat. ERIDU schaffen den Spagat, gleichzeitig ungeschliffener, roher, druckvoller als auch symphonischer, eingängiger und nochmals vielschichtiger (‚Reign Supreme‘) als auf ihrem Debüt zu klingen, und liefern ein sehr rundes Konzeptalbum ab, das tatsächlich nicht nur die irdische Schöpfungsgeschichte nacherzählt, sondern auch musikalisch nach den Sternen greift – Azags gleichzeitig hochtechnische wie auch jubelnde Leadgitarre schwingt sich elegant in astrale Höhen auf (‚The Great Divide’) und öffnet die Atmosphäre des Albums damit für göttliche Sphären, die in Folge von der gesamten Band besetzt und eingenommen werden, schillernde epische Soundwände vor einem kalten schwarzen Universum aufrichtend, ohne dabei jemals zu dick aufzutragen oder gar in Richtung Kitsch zu kippen, dazu sind sie viel zu sehr um Authentizität und Geschichtstreue bemüht, was sich auch in der Hinzunahme folkloristischer Instrumente, vor allem von Percussions, zeigt. Und wenn Enki, der auf dieser Platte ebenfalls ein neues technisches und ausdrucksreiches Level erreicht hat, sprechsingt, erinnert er mich sogar an eine alte Münchner Liebe, die wie ein Echo im Sound von ERIDU nachklingt, nämlich Stefan Hertrichs BETRAY MY SECRETS

Diesmal ist der rote Faden des Konzeptalbums noch deutlicher nachzuverfolgen und zu spüren, nicht nur weil er sich an den sieben Keilschrifttafeln entlanghangelt, die die Enuma Elish, übersetzt „Als der Himmel noch nicht genannt war“, umfassen, die Geschichte des blutigen, unbarmherzigen Kampfes um die Vorherrschaft zwischen den verschiedenen Göttergenerationen, von den Urschöpfern Apsu und Tiamat bis zur endgültigen Dominanz Marduks (sowie die Erschaffung der Menschheit, an deren Sinnhaftigkeit heutzutage wirklich stark zu zweifeln ist…) entwickelt sich teils dramatisch, teils mystisch, aber stets hochdynamisch und so abwechslungsreich, dass die gute Dreiviertelstunde wie im Flug vorübergeht. Dabei entspricht die rohe Wucht der Riffs sehr wohl der grausamen Thematik der gegeneinander kämpfenden Götter, aber auch eine melancholische, schwarzmetallische Zartheit und Verträumtheit taucht immer wieder in den Melodien auf und macht den Höreindruck dadurch so vielseitig. Die Zuhörenden werden gefangen genommen von dieser fremdartigen Geschichte, die weit mehr kennt als nur gut und böse, bangen genauso mit den Bedrohten und jubeln mit den Siegern, wie sie sich ganz freiwillig entführen lassen in Welten hinter dem Schleier grosser Mysterien. Und wie bei jedem herausragenden Album hat man den Eindruck, nicht einmal die Hälfte der Details erfasst zu haben, und muss daher zwangsläufig auf „Repeat“ drücken. ‚Enuma Elish’ lege ich daher allen Extremmetalfans ans Herz, die gleichzeitig brutal geläutert als auch mystisch verzaubert werden wollen – warum weniger nehmen, wenn man doch alles haben kann?

Bandinfo:

ERIDU sind Enki (Vocals), Uanu (Bass), Azag (Lead Guitar), Zahak (Rhythm Guitar) und Ishkur (Drums).

https://eriduofficial.bandcamp.com/
https://www.facebook.com/EriduOfficial/
https://www.instagram.com/eriduofficial/
https://www.youtube.com/@EriduOfficial

Diskographie:

Lugalbanda (LP, 2019)
Enuma Elish (LP, 2023)

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