BACCHUS – II

Stil:

Bacchus, der römische Gott der Ausschweifung, Fruchtbarkeit und Ekstase, des Wahnsinns und natürlich des Weines, leitet sich dank seines ausgelassenen und meist lärmenden Gefolges von „Bakchos“, dem „Rufer“ oder „Geschrei“ ab, einem Beinamen seines griechisches Pendants Dionysos. Berauschte Menschen äussern ihre Lebensfreude nun mal gern laut und vor allem singend, und es ist ihnen dabei egal, ob sie die Töne oder Texte treffen. Nüchterne Zeitgenossen nennen sowas auch mal gröhlen, verkennen jedoch den seelisch reinigenden, verschwisternden und gruppendynamischen Effekt, den gemeinsamer lauter Gesang hat. Nicht umsonst weiss der Volksmund: „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“, und das wissen auch die französischen Blackmetaller von BACCHUS, deren Albumdebut nun vorliegt.

Sie operieren auf dem pragmatisch ‚II’ benannten und entsprechend durchnumerierten Langdebüt (2021 wurde als erstes Lebenszeichen bereits eine selbstbenannte EP veröffentlicht) an der Grenze zwischen instrumentaler und vokaler Musik, denn Stimmen werden meist textfrei, wie weitere Instrumente und entsprechend dosiert innerhalb des Bandzusammenklangs eingesetzt, der durch viele Ambient-Anteile, flirrende Gitarrenflächen und stark reduziertes Tempo voll auf Atmosphäre setzt. Und das ist eine feierliche, ausserweltliche, weite, zu den Sternen strebende – man stelle sich eine grosse Höhle voller entrückter und enthemmter, das Leben feiernder Menschen, deren Stimmen, Musik, viel Hall und Echo, oder eben gleich eine nächtliche orgiastische Szenerie unter freiem Sternenhimmel am Feuer vor, so klingen BACCHUS.

Es ist ungewohnt, dass hier nicht kunstvoll gesungen, sondern kehlig, aus tiefster Brust gegröhlt (wem das zu negativ klingt, man kann es auch chanten nennen…) wird, auch wie besessen gebrüllt und ultratief gegrowlt wird von dem Trio aus Lyon. Der durchaus aggressive Anteil soll nicht verleugnet werden, ist jedoch genau wie die Lebensfreude ein Teil der menschlichen Seele und kann ebenfalls rituell sublimiert und somit ausgelebt werden. Das Gequälte oder sogar Verzweifelte findet sich dagegen, falls auf ‚II’ überhaupt von Bedeutung, vor allem im tief gegrowlten Gesang und den melancholischen Gitarrenlinien, ‚II.III’ , der düsterste Song des Albums, zeugt von diesen starken Kontrasten und vermittelt ein Gefühl von Ausgeliefertsein, vielleicht sogar Kontrollverlust, der auf der vorangehenden EP so nicht vernommen werden konnte. Die Entwicklung seit dem eher leichtfüssigen, rauschhaften Erstling geht tatsächlich mehr in die Tiefe, ins Rituelle, was sich besonders an den Synths zeigt, die verstärkt mit Drones statt Melodien arbeiten, jedoch weiterhin die Basis des BACCHUS-Sounds ausmachen., sogar Kehlkopfgesang ist dabei und choralartige Mehrstimmigkeit, doch URFAUSTianern ist so etwas ja auch nicht fremd, und hier hat es tatsächlich einen von einengender Scham und unnötigen gesellschaftliche Konventionen befreienden, lebens- und vor allem Genuss und Lust bejahenden Aspekt, von allen möglichen berauschenden Substanzen hervorgerufen oder auch durch Meditation bewirkt, für die sich ‚II’ tatsächlich genauso eignet wie für einen tiefenentspannten Abend, an dem man die innere und äussere Welt einmal auf andere Weise erleben will als sonst. BACCHUS’ Musik ist das perfekte Vehikel, aus dem eigenen Körper zu treten und andere Sinne als die üblichen zu nutzen, die starke Fokussierung auf rituelle, tranceerzeugende Klänge macht dies einfach, mitsingen, tief atmen, die Brust weiten hilft zusätzlich. Durch die ständig an- und abschwellenden Spannungsbögen im Zusammenspiel zwischen den stets präsenten Synthesizern, den kitzelnden Gitarrenlayers, die sich auch gern zu einem Sog in den astralen Vortex aufbäumen, und dem treibenden, hypnotischen Rhythmus werden die Lauschenden mitgerissen von einer ekstatischen Welle, überspült und umhüllt von mystischen Sound eines fremden, uralten Kultes der Ausschweifung inmitten der tiefsten Nacht. Dafür liebe ich Black Metal – hier ist wirklich alles an Emotionen und Erfahrungen möglich, sogar der perfekte Schlafzimmersoundtrack…

Der durchaus aggressive Anteil soll nicht verleugnet werden, ist jedoch genau wie die Lebensfreude ein Teil der menschlichen Seele und kann ebenfalls rituell sublimiert und somit ausgelebt werden. Das Gequälte oder sogar Verzweifelte findet sich dagegen, falls auf ‚II’ überhaupt von Bedeutung, vor allem im tief gegrowlten Gesang und den melancholischen Gitarrenlinien, ‚II.III’ , der düsterste Song des Albums, zeugt von diesen starken Kontrasten und vermittelt ein Gefühl von Ausgeliefertsein, vielleicht sogar Kontrollverlust, der auf der vorangehenden EP so nicht vernommen werden konnte. Die Entwicklung seit dem eher leichtfüssigen, rauschhaften Erstling geht tatsächlich mehr in die Tiefe, ins okkult-Rituelle, was sich besonders an den Synths zeigt, die verstärkt mit Drones statt Melodien arbeiten, jedoch weiterhin die Basis des BACCHUS-Sounds ausmachen.

Gegründet wurde das Trio 2020 von Mitgliedern von DYSYLUMN, ABYSSAL VACUUM, und OMINOUS SHRINE, Hauptsongwriter und Keyboarder Moïse Mestriaux und Sänger und Gitarrist Sébastien B wollten explizit den Rausch und Trip als Kreativität anfeuernde Kraft in den Mittelpunkt ihres Schaffens stellen: “Die Musik von BACCHUS ist von den veränderten Geisteszuständen, die durch den Konsum von Drogen hervorgerufen werden, inspiriert und von der berauschenden Kreativität, die daraus entsteht. Unsere Musik zielt darauf ab, das Publikum auf eine introspektive und psychedelische Reise mit kontrastreichen Emotionen mitzunehmen. Letztendlich geht die Dunkelheit vom Inneren aus, von den Zuhörern selbst, und soll sowohl erheiternd als auch verstörend wirken.“. Camille Olivier F.B. (DYSYLUMN, Y I Y) kam bald als Schlagzeuger hinzu und übernahm zusätzlich Tontechnik und Produktion. Die Drei sind inspiriert durch die römische Mythologie sowie Autoren wie Paul Verlaine, Jean Richepin und Baudelaire, sowie Bands wie RHINOCERVS, RINGARË, FLUISTERAARS, URFAUST oder BLUT AUS NORD, haben jedoch längst ihre ureigene Interpretation des wilden Rausches der Sinne gefunden.

Eine absolute Empfehlung für den offenen Black Metal-Conaisseur! Nicht nur die Band empfiehlt für den vollen, transzendentalen Genuss von BACCHUS den entsprechenden Rahmen für eine genussvolle psychedelisch-dekadente Reise: „Unsere Kunst kann von jedem Einzelnen auf seine ganz eigene Art und Weise erlebt und interpretiert werden, da der Genuss von Musik eine sehr persönliche Sache ist. Der transzendentale Charakter unserer Musik eignet sich jedoch für ein introspektives Hören, bei dem man es sich gemütlich macht und das warme Kerzenlicht die umgebende Dunkelheit erhellt. Für die erwachsenen Zuhörer werden wir außerdem eine Flasche hochwertigen Weines zu unserer Veröffentlichung servieren, der sich perfekt für eine Verkostung eignet.“

A votre santé!

Bandinfo:

BACCHUS sind Moïse Mestriaux (Komposition, Samples, Synthesizer), Sébastien B (Guitars, Bass, Vocals) sowie Camille Olivier F.B. (Drums, Mix, Mastering).

http://bacchus-dionysies.bandcamp.com
https://www.facebook.com/bacchus.dionysies

Diskographie:

Bacchus (EP, 2020)
II (LP, 2023)

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