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Veröffentlichung: 20.01.2023
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Vertrieb: 20 Buck Spin
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Versionen: CD, Vinyl, Cassette, Digital Distribution: Soulfood
Stil: Exzentrischer, sehr individueller Gloom Doom mit viel Gothic-Flair
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Der Begriff “Doom & Gloom” wird gerne als Schwarzmalerei ins Deutsche übersetzt, als Katastrophenmeldung oder Weltuntergangsstimmung – wie passend für einen düsteren, schweren Musikstil. Gäbe es „Gloom Doom“1 tatsächlich, das neue kanadische Duo TRIBUNAL wären sicherlich Vorreiter dieses Subgenres. Ihr Debüt ‚The Weight Of Remembrance’ ist seit ein paar Tagen erhältlich, und ich habe mich beim ersten Hören kurz vom bekannten Regen-und-Kirchenglocken-Beginn täuschen lassen, der jedem Doomjünger der alten Schule die Freudentränen in die andächtig geschlossenen Augen treibt, doch diese Reminiszenz an die Gottväter des Genres aus Birmingham muss als respektvolle und tiefe Verbeugung einer Band gedeutet werden, die weiss auf welch historischem Boden sie sich bewegt bei ihrer Reise in die Zukunft; zumal sie dieses Vermächtnis, was die Rhythmusarbeit angeht, auch durchgehend mit stampfender Heavyness und konsequent sehr niedrigen BPMs zelebriert.
Doch zurück zum Opener ‚Initiation’, der Regen wird schnell abgelöst vom eindringlichen Cello der klassisch ausgebildeten Soren Mourne, die auch den Bass bedient und vor allem den Klargesang übernimmt, die musikalische Marschrichtung wird dadurch sofort gebrochen und neu definiert, MY DYING BRIDE kommen in den Sinn, später auch DRACONIAN sowie A FOREST OF STARS, denn Gothic- und Death-, sogar Black Metal-Einflüsse machen den wahren Kern des TRIBUNAL-Sounds aus, der in sich Anteile aus allen Glanzzeiten des Heavy Metal vereinigt.
Es regnet viel in Vancouver und folglich auch auf den sechs Songs und einem weihrauchgetränkten Klavierinterludium (‚Remembrance’), sehr angelsächsisch klingen sie, düster und schwarzsamtig, melancholisch bis verzweifelnd, aber kämpferisch, klug durchdacht und geschickt arrangiert, durchaus auch spröde bis exzentrisch, aber vor allem erfrischend anders und sehr individuell, was neben der Instrumentierung vor allem durch die Vocals begründet ist, die sich Alt-Stimme Mourne auf beeindruckende Weise mit Gitarrist Etienne Flinn, der die Growls übernimmt, teilt. Sie haben es geschafft, den dialogisch wechselnden und kontrastierenden Gesang sehr harmonisch und organisch in ihre Songs zu integrieren, der nicht nur zwischen den beiden, sondern auch innerhalb verschiedener Stile oder besser Spektren von natürlichem bis kraftvollem Klargesang, von tiefen Deathgrowls bis bedrohlichem schwarzmetallischem Kreischen, aggressivem Fauchen und harmonischen Chören wechselt. Die Gitarren sind, neben ihrem tödlichen Riffing, mit aufstrebenden Leads stets leuchtende Counterparts sowohl der Gesangs- wie auch Cellolinien, und mit diesem Wechselspiel haben sie bereits auf ihrem Erstling einen ganz eigenen Sound etablieren können, auf dem sie in Zukunft aufbauen können. Schon jetzt perfekt ausbalanciert ist der Einsatz des Cellos, das genau in den richtigen Momenten aufleuchtet, sich sonst jedoch perfekt als Stimmungsträger in den Bandorganismus integriert; hier wird spannend zu beobachten sein, wie Soren Mourne ihre vielerlei Aufgaben live unter einen Hut bringen kann.
Was TRIBUNAL jedoch vor allem auszeichnet ist die unerschütterliche, selbstbewusste Ruhe, die sie sich beim Aufbau von okkulter Atmosphäre und Spannung lassen, und aus der sich vielfältige Stimmungen und Harmonien entwickeln, die in immer neuen Soundlayers miteinander verwoben werden, die mal eher rituell-sakral (‚Of Creeping Moss and Crumbled Stone’), bedrohlich und bedrängend (‚Apathy’s Keep’) und dann wieder schwermütig-verwunschen (das wunderbar wechselhafte ‚Without Answer’, siehe Video oben) klingen und die Stücke sich wie eigene kleine dramatische Geschichten entfalten und fesseln lassen, aber dabei stets auf übermässigen Bombast verzichten, sondern neben dem schweren Riffing von Bass und Gitarren das komplexe Songwriting für sich sprechen lassen. In dieses Album muss sehr viel Zeit und vor allem Schweiss, Tränen und Herzblut geflossen sein, der eigene Anspruch, ein in sich komplett stimmiges Werk abzuliefern, ohne die eigene Phantasie und Ideenfülle dabei einschränken zu lassen, ist stets spürbar. Hinzu kommt die absolute Authentizität, mit der zwei Doomfans ihre persönliche Interpretation dieses besonderen Genres zelebrieren, um noch mehr Fans dafür zu begeistern. Das kontrastreiche ‚The Path‘ fasst schliesslich mit seinen über zwölf Minuten das ganze Kaleidoskop an schwermütigen Emotionen zusammen, und wenn es stimmt, dass der letzte Track immer in die Zukunft weist, erwartet uns zukünftig eine kraftvolle und gleichzeitig fein abgestimmte Band, ein kompletter Klangorganismus, der Heavyness und schwarze Sphärenmusik kunstvoll miteinander verbindet.
Der Mix von Markov Soroka (TCHORNOBOG, DROWN etc.) hat TRIBUNAL die eigenen Ecken und Kanten gelassen, bei viel Transparenz und Betonung der absoluten Heavyness des Materials und der gewollt düsteren, teils hoffnunglos endzeitlichen Stimmung des Albums. Der Bandname, der viel mit Ver)Urteil(ung und Werten, aber auch Vergänglichkeit zu tun hat, findet sich auch im von Soren Mourne selbst gemalten Cover umgesetzt wieder (die Schriftzüge stammen von Karmazid), was nochmal die DIY-Haltung des Duos verdeutlicht. Die Uhr, die Lebenszeit symbolisierend, liegt auf der Waage, die Kerze brennt ab und die Rose verwelkt, doch mit dem Cellobogen nimmt man selbst in die Hand, welches Lied im eigenen Leben gespielt wird – eine Aufforderung, aktiv zu werden, die verbleibende Zeit nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Was durchaus auch feministische Ideale enthalten kann, zumindest werden die Beiden an den Drums und auch live an Gitarre und Keyboards sämtlich von Frauenpower unterstützt…
Fazit: so hat man Doom noch nicht, oder zumindest schon sehr lange nicht mehr gehört – elegant schwarz glitzernd, voller Sehnsucht, Melancholie und Heavyness, episch, aber ohne unnötigen Bombast, dafür mit einem Füllhorn an ungewöhnlichen Ideen. ‚The Weight Of Remembrance’ ist ein souveränes, vielschichtiges Debüt einer jungen, ambitionierten Band, die auf dem besten Wege ist, ihren ureigenen, speziellen Stil zu entwickeln und vor allem auch fest in der Szene zu etablieren. Nicht nur für alle Peaceville Three-Fans ein Muss!
Bandinfo:
TRIBUNAL sind Soren Mourne (Bass, Cello, Vocals) und Etienne Flinn (Guitar, Vocals).
Zusätzliche MusikerInnen sind an den Drums Julia Geaman und bei ‘Apathy’s Keep’ Magdalena Wienski, Claine Lamb am Klavier und Rory Say an Vocals.
Live ergänzen Julia Geaman (Drums), Jessica Yang (Guitar) und Dallas (Keyboards) das Duo.
https://www.facebook.com/TribunalDoom
https://www.instagram.com/tribunaldoom/
https://20buckspin.bandcamp.com/album/the-weight-of-remembrance
1 es gibt tatsächlich eine Band dieses Namens…