SPEGLAS – Time, Futility & Death (EP)

Stil: Soulful, psyched and progressive Dark Rock fueled by Swedish Death- and Heavy Metal

Sie beginnt mit einer verstörenden Kakophonie aus verzerrten Stimmen und Krähenkrächzen, nur um sofort darauf in eine auf wunderschönste Art perlende akustische Gitarrenmelodie zu münden und bald das gesamte Trio miteinzubeziehen in das wohl spannendste Intro des Jahres, das der zweiten Veröffentlichung von SPEGLAS namens ‚Time, Futility & Death’. Sieben lange Jahre erwartet, wie schon ‚Birth, Dreams & Death’ leider nur eine EP, aber wiederum: was für eine!

Man könnte den Stil „Stockholmer Schule“ nennen – stets hochkreativ und unvorhersehbar, aber immer melodiebasiert und verspielt balancierend auf der Grenze zwischen Death Metal, explorierendem, psychedelisch angehauchtem Progessiv-Rock und immer wieder epischen Gitarrenmomenten des klassischen Heavy Metal. Die wichtigste Zutat fehlt jedoch noch in dieser Aufzählung. Was im Black Metal seit jeher vollkommen normal ist, wird dem Death Metal noch immer viel zu selten zugestanden: Atmosphäre als tragendes künstlerisches Stilmittel zu verwenden. „Progressiv“ heisst dann meist ultraschnelles Geshredde im TechDeath und „Melodie“ singende Twingitarren im MeloDeath, ebenfalls mit sehr viel Drive, doch dass Death Metal auch wunderbar in Zeitlupe funktionieren kann, entdecken Bands des Genres so richtig erst seit dem vergangenen Jahrzehnt wieder.

Eine Band stach dabei in Europa besonders als Vorreiter heraus, und hat gerade für SPEGLAS eine ganz wichtige Bedeutung, da deren Personalia direkt mit ihr verbunden sind. Das Trio operiert daher viel deutlicher mit der Melancholie, Verzweiflung und technischen Brillianz von MORBUS CHRON als dem dunklen Glanz & Glamour der nun mehr gothischen Saitenhexer von TRIBULATION, beide aus der Heimatstadt des Trios, Stockholm. SPEGLAS’ Bandkopf Isak Rosemarin ist gleichzeitig Leadgitarrist in Robert Anderssons neuer Band SWEVEN, benannt nach MORBUS CHRONs genredefinierendem letztem Album; Rosemarin hatte MORBUS CHRON schon als Livegitarrist auf ebendieser letzten Tour ausgeholfen, und mit ihm und Schlagzeuger Jesper Nyrelius formierte Andersson 2020 dann die viel zu wenig beachteten SWEVEN. Bereits 2015 hob Rosemarin jedoch selbst mit Nyrelius SPEGLAS aus der Taufe, veröffentlichte im gleichen Jahr die erste, von Andersson produzierte EP und ist nun, verstärkt durch Gitarrist Alexi Hedlund, mit ‚Time, Futility & Death’ endlich und vielerwartet zurück.

Und was sie uns mitbringen sind zwar nur vier vollwertige, dafür alle weit über fünfeinhalb Minuten lange Preziosen plus dem oben beschriebenen traumschönen Intro, angefüllt bis zum Überlaufen mit der typisch schwedischen Ernsthaftigkeit, was progressive Komposition und Spannungsaufbau bei gleichzeitig lässiger Melodieführung angeht, die nie den roten Faden verliert, werde es auch noch so komplex, und ebenso mit Dramatik und starken Dynamikwechseln, sowie einer detailverliebten und stets dunkelschwarzen Ausführung.

Im Gegensatz zum Erstling ‚Birth, Dreams & Death’ geht es nun um die Vergänglichkeit allen Lebens, und diese Wehmut ist ständig greifbar, SPEGLAS kosten ruhige, nachdenkliche Passagen bis ins Tiefste aus (der abschliessende, enorm vielschichtige angeschwärzte Longtrack ‚One Last Midnight’), mit akustischen Gitarren, Klavier und Chorgesang wird eine so nahbare wie sakrale Stimmung erzeugt, nur um im nächsten Moment in eine Explosion von düsterster Impulsivität umzuschlagen (die Gefühlsachterbahn ‚At The Precipice’), der harsche Gesang ist von Verzweiflung geprägt, bleibt jedoch verständlich im Herausschreien der inneren Not, und tritt meist hinter die alles anführenden Gitarren zurück, die farbenprächtig variiert ihre eigene Sicht der Dinge erzählen und dabei schnelle, lospreschende Riffs mit komplexer Rhythmik kombinieren. SPEGLAS sind gleichzeitig konzentrierter und verspielter, sanfter und wilder geworden als auf ihrem Debüt, und haben sich für den Weg als ihr Ziel entschieden, auf dem sie alles einatmen, mitnehmen und widerspiegeln, was ihnen begegnet. Entstanden sind vielschichtige Songs, die ein Eigenleben führen und uns mit Offenheit begegnen. Auch ihre Enden bleiben oft offen (‚Avow’, ‚Voyage’), es ist generell viel Raum für eigene Interpretationen und Gedanken auf ‚Time, Futility & Death’, ein gutes Zeichen, wenn eine Platte noch lange weiter wachsen soll.

Die lange Wartezeit, innerhalb der eben auch SWEVENs ‚The Eternal Resonance’ unter Mitwirkung von zwei Dritteln der SPEGLAS-Stammbesetzung entstand, hat das Trio umso  mehr seine ureigene Zielsetzung und Ausdrucksweise finden lassen, die viel zu viele unterschiedliche Einflüsse und Hintergründe nutzt als sich der Einordnung in ein spezifisches Genre unterzuordnen. Die jugendliche Thrash’n’Roll-Energie des Debüts hat sich zu einer abgeklärteren Sinnsuche gewandelt, die alle Fans gespenstisch-düsteren, modernen Death Metals ohne Genrescheuklappen genauso begeistern wird wie generell für progressive Experimente offene Metaller. Ein absolutes Jahreshighlight, dem hoffentlich bald ein vollständiges Album folgen wird!

Bandinfo:

SPEGLAS sind Isak Rosemarin (Vocals, Guitars, Bass, Piano), Jesper Nyrelius (Drums) und Alexi Hedlund (Gitarre).

https://www.facebook.com/SPEGLAS
https://www.instagram.com/speglas/
https://pulverised.bandcamp.com/album/time-futility-death

Diskographie:

Birth, Dreams & Death – EP, 2015
Time, Futility & Death – EP; 2022

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