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Veröffentlichung: 27.01.2023
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Vertrieb: Bitter Loss Records
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Versionen: Digital, CD, Cassette, Vinyl
Stil: Grandioser atmosphärischer Black Metal, dem man seine Herkunft von Down Under nicht anhört… oder doch?
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Manche Fans können sofort hören, woher eine Band stammt, und das fällt mir besonders im Black Metal auf. Kennt ihr das auch? Oder wisst sogar selbst nach ein paar Takten, wo ihr eine Band einzuordnen habt? Aber woran liegt das, ausser natürlich an einer sehr guten Szenekenntnis?
Sicher gibt es lokale oder regionale Stile, die sich an einem Ort entwickelt haben und für diesen typisch sind, da sie abbilden, was und wie die dortige Szene spielt, man denke beispielsweise an Cascadian Black Metal oder im Death Metal den Gothenburg Sound. Doch wenn man den Maßstab grösser ansetzt und an ganze Regionen denkt – kann man Skandinavien von Osteuropa, den Alpenraum von Westeuropa oder den Mittelmeerraum von Südamerika unterscheiden? Nord- von Südamerika? Asien von Ozeanien?
Ich finde ja, dass sich gerade im Black Metal die Klimazonen hörbar unterscheiden, vor allem gebirgige Gegenden mit viel Eis und Schnee auch einen frostigeren, klirrenden Sound haben; und natürlich lassen sich die jeweiligen typischen Folk-Einflüsse heraushören, orientalische Sounds klingen ganz anders als slawische Tonfolgen, hellenischer Black Metal anders als japanischer, auch wenn sich Bands untereinander immer wieder befruchten. Doch wie klingt dann Metal aus Down Under?
Mich braucht ihr nicht fragen, ich bin keine Kennerin der dortigen Szene, schätze nur einzelne ausgewählte Bands (MIDNIGHT ODYSSEY!!!), und War Metal ist sowieso nicht meins, also kann ich nur spekulieren (lasse mir aber gern Tips für neue Entdeckungen geben!). Geht man von Klima aus, gibt es zwar eine unendliche Meeresküste, gemäßigte Zonen, auch Berge und Schnee, im Vergleich zur riesigen Wüste im roten Zentrum machen sie jedoch kaum etwas aus, die flirrende Hitze überwiegt. Nur, wie klingt Black Metal aus einem Glutofen? Wenn man wiederum an Folklore denkt, wäre zum einen eine stilistische Nähe zu Grossbritannien zu erwarten, solange die Musik nicht von Ureinwohnern stammt – welche wiederum eigene Sounds, Instrumente und vor allem Weltsichten einbringen. Aber ein Einwanderungsland wie Australien hat natürlich auch heutzutage noch viel mehr Einflüsse aus der gesamten Welt. Schauen wir uns also einfach mal an, was LUMEN AD MORTEM so alles verarbeiten…
Das Trio kommt aus Adelaide, also von der südaustralischen Küste, wurde 2019 gegründet und besteht sämtlich aus Szeneveteranen, vor allem Drummer Matt „Skitz“ Sanders hat gefühlt schon bei jeder extremen Aussieband zwischen Hardcore, Thrash, Death- und Black Metal gespielt, und das hört man auch sofort – dieser Mann kann alles spielen, und bringt damit schier unendliche stilistische Möglichkeiten mit. Das Schlagzeug hat Punch, Drive und messerscharfe Exaktheit, aber auch genreuntypischen Groove, und da ‚Upon the Edge of Darkness’ mit einer glasklaren Produktion auf der Höhe der Zeit versehen ist, ist all dies stets sehr angenehm präsent. Auf einer solchen Basis lassen sich hohe Klanggebäude errichten, und genau das ist auch das Ziel der Australier, ein voller, aufstrebender, trotzdem sehr frostiger Sound, wie ihn beispielsweise auch WOLVES IN THE THRONE ROOM anstreben. Gerade die Gitarren und Keyboards von Multiinstrumentalist Aaron Tuck erinnern immer wieder an die Weaver-Brüder, ‘Ethereal’ startet so, doch da ist noch einiges mehr, vor allem Einflüsse aus dem Skandinavien der 90er bis zur Jetztzeit, auf das sich LUMEN AD MORTEM auch inhaltlich mit nordischen Themen beziehen. Und was sich im Gesang von Gregor Pikl niederschlägt, der wie ein bösartiger, fast wahnsinniger Loki faucht und wütet. Tuck und Pikl waren bereits bei den Adelaider melodic bis symphonic Blackies DELUGE zusammen tätig und sind bestens aufeinander eingespielt.
Genau diese Erfahrungen, Gegensätze und diversen Einflüsse sind es, die zum einen Abwechslung und Vielschichtigkeit in die Musik des Trios bringen, aber vor allem dazu geführt haben, dass LUMEN AD MORTEM genau wissen, was sie wie ausdrücken und rüberbringen wollen, und diese Stringenz spiegelt sich in ihrem genau durchdachten Konzept wieder, das ihr Motto perfekt zusammenfasst: „Anthemic Black Metal from Australia“, das bedeutet Mystik, Erhabenheit, tiefe Verbeugungen vor der Zweiten Welle, dem schwedischen Black Metal sowie dem heutigen USBM bei gleichzeitiger Unabhängigkeit von jeglichen Strömungen – klassischer Black Metal also, technisch ins Jahr 2023 überführt und bei aller Düsternis, Verachtung und Härte strahlend und funkelnd wie der nächtliche südliche Wüstenhimmel.
Mit unendlicher Weite, die an die Sphärenklänge der bereits genannten MIDNIGHT ODYSSEY erinnern, beginnt auch das Album, das mystische ‚Infinite Resonance’ bereitet den Boden für eine atmosphärische Black Metal-Erfahrung, die tatsächlich ein Soundtrack für die Übernahme der Erde durch eine jenseitige Macht sein könnte, und Horror allein durch schneidende Riffs, bedrohliche Keyboard-Fanfaren, stampfende, immer wieder ausbrechende Rhythmen und eben dieses Grauen und einschüchternde Angst verbreitende unmenschliche Fauchen verbreiten.
Man ist sofort gefangen in den wabernden Layers aus Kälte und Düsternis, und kann sich all dem, was da auf einen einprasselt, nur ergeben und fasziniert lauschen, wie aufstrebende und niederdrückende Kräfte miteinander kämpfen, immer wieder einzelne Gitarrenleads wie Lichtstrahlen (oder Schwerthiebe?) herausstechen, man das Heulen der Kämpfenden vernimmt, während die Erzählung schon wieder eine andere Wendung und an Tempo zunimmt. Da ist viel kraftvoller, flirrender Schweden-Black Metal dabei, ‚Within The Smoke’ steigt mit einem Riff ein, dass auch von NECROPHOBIC stammen könnte, nur um dann sogleich wieder episch zu werden, es ist immer etwas los auf dieser extrem dynamischen und vielschichtigen Platte. Kein Song fällt dabei ab, die Spannung wird über diese 42 Minuten konstant gehalten, immer wieder überrascht eine neue Wendung in diesem gleichzeitig klassischen wie modernen Epos, auch Pikls unmenschlicher Gesang zeigt sich wandelbar (das grandiose Epos ‚Thought And Memory’!), niemals herrscht ungebändigte Raserei allein, wobei es gerade die Atempausen sind, die hier besonders beeindrucken. ‚The Voices From The Stream’ beeindruckt mit schleppender Melancholie, tremolo-getriebener Verzweiflung und einem gothischen Industrial-Touch, und der Rausschmeisser ‚Narrow Paths And Stony Ground’ treibt die Epicness zu einem letzten Höhepunkt – für dieses Mal… denn da wird ganz sicher noch so Einiges kommen.
LUMEN AD MORTEM ist ein Debüt auf einem Niveau gelungen, das manche Bands auch nach Jahren nicht erreichen, mit den Südaustraliern ist auf jeden Fall weiter zu rechnen. Und was unsere Ausgangsfrage angeht – die Natur als Kathedralen, die schier endlose Weite, die Down Under tagsüber nur der Horizont begrenzt und die einen nachts als menschliches Staubkorn unter einem vielfarbig funkelnden Sternenhimmel fast hinaus ins Universum zieht, für mich ist sie deutlich zu hören… oder was meint ihr?
Bandinfo:
LUMEN AD MORTEM sind Aaron Tuck (Guitars, Bass, Keyboards), Gregor Pikl (Vocals) und Matt „Skitz“ Sanders (Drums).
https://www.lumenadmortem.com
https://www.facebook.com/LumenAdMortem/
https://www.instagram.com/lumenadmortem/
Diskographie:
Demo 2019
Upon the Edge of Darkness (LP, 2023)