IN TWILIGHT’S EMBRACE – Lifeblood

Stil: Atmosphärischer Black Metal mit Industrial- und Gothic-Vibe

Typisch für den zeitgenössischen atmosphärischen Black Metal aus Polen ist ja eine alles durchdringende industrielle Kälte und fast maschinenhafte Ausführung bei zwischen Resignation und Nihilsmus pendelnder, oft auch ritueller Stimmung. Wenn sich eine Band jedoch seit ihrer Gründung 2003 stilistisch vom Metalcore über Gothenburg-Melo/Death Metal schliesslich zu Blackmetallern entwickelt, haben sie schon rein technisch einiges mehr in der Hinterhand als ein reiner BM-Act, kompositorisch sowieso. Was bei ‚Lifeblood’ sofort auffällt ist der extreme Technikfokus bei trotzdem durchweg melodiebetonten Arrangements, fesselnden Dynamikwechseln und einem sehr eigenständigen Stil. Sicher, eine Nähe zu BLAZE OF PERDITION aber auch MORDASTIGMATA ist nicht zu verleugnen, was jedoch auch an personellen Überschneidungen mit Ersteren liegt, und natürlich der gemeinsamen Szene.

Doch tatsächlich sind IN TWILIGHT’S EMBRACE musikalische Kosmopoliten, die ebenso viel vom schwedischen wie französischen sowie südeuropäischen Extremmetal in ihre eigene Melange einfliessen lassen, wie sie sich auf ihre Herkunft besinnen. Heraus kommt eine sehr moderne Interpretation des Genres voller Gegensätze, die sich zu einem passgenau einzig- und neuartigen Sinneseindruck vereinen, der überaus stimmig, schon durch seine Hochgeschwindigkeit im Kontrast zu spannungserzeugenden Breaks und mächtigen Lowtempo-Parts mitreissend und vor allem originell ist.

Möglich macht dies die bereits angesprochene Vielseitigkeit der Akteure, die rohe, geblastete Passagen genauso beherrschen wie filigrane Soli oder tanzbare Post-Punk meets Goth-Einschübe, bei den Jungs aus Poznań findet all das unter dem grossen Dach atmosphärischen Black Metals seinen Platz. Die keifend-verhallten Vocals sind sehr individuell, oft zwischen Sprechen und Singen, Englisch und Polnisch pendelnd, Cyprian Łakomy agiert mal abgeklärt wie ein Nachrichtenkommentator, dann wieder beschwörend wie ein Zeremonienmeister und steht meist im Vordergrund des Bandsounds, wenn er nicht gerade im Dialog mit den Gitarren steht, die mit messerscharfen Soli und herausblitzenden Licks brillieren, wie man sie eher aus dem Schwedentod kennt. Das Ganze hat einen ausgesprochenen 90er-Vibe, der jedoch nicht nostalgisch, sondern eher abgeklärt und spacig rüberkommt, und damit gut als Soundtrack eines Endzeitmovies taugen könnte. Dazu passt auch der deutliche FIELDS OF THE NEPHILIM-Touch des Titelsongs, So Bleeds The Night’ dagegen beginnt als Post Punk-Industrial-Hymne mit gesprochenen Vocals und dem Feeling von TRIPTYKONS ‘Aurorae’, um dann als komplexe Avant Garde-Black Metal-Hymne wiederum eine ganz neue Entwicklung inklusive einer Verbeugung an den Cascadian-Black Metal durchzumachen.

Doch bevor hier der Eindruck aufkommt, dass sich hinter dem von ihnen selbst verpasstem Etikett „Morbid Rock“ mehr Rock als Metal verbirgt, sei nochmals betont: die Basis von ‚Lifeblood’ ist rasender, wütender Black Metal, der sich nur raffiniert vieler genrefremder Elemente bedient, ‚The Death Drive’ oder ‚Iskry’ beweisen es nicht nur mit einem fast durchgehend hohen Blastbeatscore – wieder einmal sitzt hier mit Dawid Bytnar ein Derwisch oder irrer Oktopus hinter den Drums – sondern auch mit getrieben-repetitivem Riffing.

IN TWILIGHT’S EMBRACEs absolute Stärke ist jedoch ihr Gefühl für packende Songs, Dynamikwechsel, grosse Spannungsaufbauten, unverhoffte Wendungen und überraschende Arrangements, hieran merkt man sofort, dass die Band schon einige Jahre zusammen aktiv ist. Der Detailreichtum dieses sechsten Albums lässt auch nach dem x-ten Durchgang nicht los, produziert wurde es übrigens von eben jenem auch bei BLAZE OF PERDITION tätigen Gitarrist Marcin Rybicki, umso verdienter, dass die Polen nun bei der Nidaros-Talentschmiede Terratur Possessions untergekommen sind, die auch die beiden schwarzmetallischen Vorgänger, Lawa’ und ‚Vanitas neu aufgelegt haben.

Auch ohne mit ihrem kompletten Backkatalog vertraut zu sein, scheint es mir, als ob IN TWILIGHT’S EMBRACE in ihrer Interpretation von Black Metal nun schliesslich ihr Ding gefunden haben. Jetzt kommt es nur darauf an, dass ‚Lifeblood’ auch seine Zielgruppe, die Atmo-BM-Fans genau wie die Industrial- und Goth-Fraktion, erreicht. Die gerade abgeschlossene Tour mit MGŁA hat hoffentlich, wie vielleicht auch dieses Review, ihren Teil dazu beigetragen.

Bandinfo:

IN TWILIGHT’S EMBRACE sind: Jacek Stróżyński (Bass), Leszek Szlenk (lead Guitars), Cyprian Łakomy (Vocals), Marcin Rybicki (Guitars) und Dawid Bytnar (Drums)

https://intwilightsembrace.bandcamp.com/
https://www.facebook.com/intwilightsembrace
https://www.instagram.com/intwilightsembrace/

Diskographie:

(ohne Demos)
Buried in Between (LP, 2006)             
Slaves to Martyrdom (LP, 2011)         
The Grim Muse (LP, 2015)
Trembling (EP, 2016)  
Vanitas (LP, 2017)
Lawa (LP, 2018)
Lifeblood (LP, 2022)

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