NERO KANE – Of Knowledge And Revelation

  • Veröffentlichung: 30.09.2022

  • Vertrieb: Subsound Records

  • Versionen: Digital, CD, Vinyl

Stil: Italo-Americana Songwriter und seine Muse definieren träumerisch-schwarzen Melancho-Minimalismus neu

Je dunkler die Tage und länger die Nächte werden, desto mehr ziehe ich mich in meinen privaten warmen, weichen, kerzenbeleuchteten Kokon aus Decken, Düften, Aromen und Klängen zurück, und dabei sind natürlich ebensolche Melodien, introvertiert und doch be-sinnlich, mehr als willkommen. NERO KANE liefern mit ‚Of Knowledge And Revelation’ den perfekten Soundtrack fürs Höhlenfrauendasein, können aber getrost jeglicher anderer sensiblen und geniesserhaften Kreatur empfohlen werden.

Aber müsste es nicht eigentlich „NERO KANE liefert“ heissen? Angesichts der Tatsache, dass sich Singer/Songwriter Kane aka Marco Mezzadri und seine Muse Samantha Stella diesmal den Gesang gleichberechtigt teilen, die Lyrics von beiden verfasst wurden, und dass Produzent Matt Bordin erneut einige Instrumente sowie die stets präsenten Drones übernommen hat, könnte man mittlerweile auch von einer Band sprechen, in der die Muse immer mehr zur gleichberechtigten Musikerin wurde. Trotzdem bleibt Songwriter Kane ideeller und musikalischer Kopf des Dark Folk-Gespanns und hat die Fäden fest in der Hand.

Es ist eine stark verfeinerte Musik, die durch Reduktion ihrer Mittel, Vereinfachung ihrer Strukturen, absoluten Zeitlosigkeit, sprich: Ruhe, in der Ausführung und vor allem Repetition entsteht. Der wirksame Anteil der Musiker an den Klängen und Gesängen ist sublimiert, ständige Wiederholung lässt sehr schnell Trance entstehen, die hohen Ambientanteile, die hier oft tatsächlich wie Umgebungsgeräusche wirken, tragen dazu noch zusätzlich bei. Hall entsteht organisch wie in einer grossen Kathedrale, gesprochene Parts, gerade wenn Stella sie mit monotoner, emotionsbefreiter Stimme spricht, wirken wie eine Liturgie (‚Burn The Faith’,), die Stimmung ist durchgehend sakral und mystisch. ‚Of Knowledge And Revelation’ ist ein Angebot an den Hörer, Gefühlen und Phantasie freien Lauf zu lassen, eine frisch grundierte Leinwand, auf der nur wenige skizzenhafte Striche beginnen ein Motiv schemenhaft sichtbar werden zu lassen. Die Gitarre zeichnet diese allerersten Linien, eine rhythmisch seufzende Stimme färbt sie mit Emotionen ein, mit Sinnlichkeit und einer verhaltenen Lust. Hier ist nichts plakativ, sondern stets subtil und nur angedeutet, mit ganz viel Raum für eigene Interpretationen und Gefühle. Und NERO KANE halten diesen heiligen und intimen Freiraum für uns offen, er ist ihr Geschenk an alle, die ihn für sich nutzen und mit ihren eigenen Ideen ausfüllen wollen.

Andere Stücke wie ‚The Pale Kingdom’ entführen in die nordamerikanische Wüste, in der bereits sein erstes Album ‚Love In A Dying World’ entstand und aufgenommen wurde. Die Weite des Wilden Westens bildete damals den Schauplatz für „eine melancholische und poetische Reise“, die entsprechend viel Americana-Einfluss (Reverb galore!) verarbeitete, ohne jemals die erdige Verwurzelung in der südeuropäischen Heimat aufzugeben. Und auch hier erweitert die Zurückhaltung der Protagonisten und die vordergründige Monotonie den Horizont für den eigenen Film, den jeder Hörer selbst abspult. Samantha Stellas ganz eigene und einzigartige Phrasierung ihres Sprechgesangs tut ihr eigenes dazu, uns einzulullen und gleichzeitig davon abzulenken, wie viel doch im Hintergrund passiert. Stellas Stil spiegelt ihre Erfahrung als Filmmacherin und Performancekünstlerin, wirkt zuerst unschuldig, dann jedoch wieder formal stringent und rituell, die jahrelange künstlerische Zusammenarbeit, das aufeinander eingespielt sein sind ständig spürbar, ihr feierliches Orgelspiel trägt grundlegend zur Fülle und Weite des Sounds bei.

Nero Kane dagegen singt von und mit Melancholie, Trauer und Seelenschmerz, von Liebe, Trennung, Verlust und Verlorenheit und sehr viel vom Tod, von Glaube und Leiden-schaft. Sein Vortrag ist mal spirituell wie ein mystisches Gebet (das traumwandlerische ‚The Vale Of Rest’), dann wieder erzählend im Singer/Songwriter-Stil (‚The End, The Beginning, The Eternal’), doch immer von einer gewissen resignativen inneren Distanz geprägt. Es macht daher Sinn, dass sich die beiden von Song zu Song abwechseln und dann wieder gemeinsam singen, wie beim mit gregorianischen Chören begleiteten, hochsakralen ‚Sola Gratia’, was soviel wie „allein durch die (göttlich) Gnade“ bedeutet und aussagt, dass der Mensch Erlösung niemals nur durch seine eigenen Verdienste erringen kann, was dieses faszinierende Album sehr getragen und spirituell ausklingen lässt. Religion im Wortsinn als gewissenhafte Interpretation übersinnlicher, transzendenter Zeichen im Sinne einer eigenen Weltanschauung wird hier Lied für Lied praktiziert, die Musik übernimmt dabei den Part der Offenbarung.
An den Lyrics haben beide Anteil, inspiriert wurden sie diesmal von einer Vielzahl von Eindrücken und Kunstwerken, darunter Gemälden wie “Aufstieg der Seligen” (1490) von Hieronymus Bosch, Stichen wie Dantes “Divina Commedia” von Gustave Dorè (1861) und Schriften wie “Tränen und Heilige” (1937) von Emil M. Cioran, “Hymnen an die Nacht” (1800) von Novalis und “Das fließende Licht der Gottheit” (1250-1270) der deutschen mittelalterlichen Mystikerin Mechthild von Magdeburg, die auch im vorigen Album “Tales of Faith and Lunacy” eine Rolle spielte. Von ihr stammt auch der Albumtitel:


1.21 Of Knowledge and Revelation
Love without knowledge
Is darkness to the wise soul.
Knowledge without revelation
Is as the pain of Hell.
Revelation without death
Cannot be endured.

Mechthild Von Magdeburg – The Flowing Light of the Godhead (1250-1270)

Jeder Ton, jedes Wort, jedes Geräusch sitzt einfach perfekt und mit seinem eigenen Gewicht auf dieser Platte. Diese verführerische, minimalistische sinnliche Reise zeigt wieder einmal, dass Weniger mehr ist. Zu empfehlen ist der hypnotische Soundtrack Fans von NICK CAVE oder JOHNNY CASH genauso wie im Metalkontext auch KING DUDE oder DARKHER, einen ganz anderen Geistesverwandten haben NERO KANE beispielsweise auch in Gionata Potenti’s NUBIVAGANT.

Die eigentliche Offenbarung von ‚Of Knowledge And Revelation’ jedoch ist, dass wahre Kunst nur aus sich selbst entsteht, dass wir Menschen uns schon immer gegenseitig inspiriert und geistig befruchtet haben, und dies vielleicht die einzige Art ist, unsere Spezies zu retten. Kunstwerke wie dieses Album werden die Menschheit auf jeden Fall ewig überdauern.

Bandinfo:

NERO KANE sind Nero Kane aka Marco Mezzadri (Gesang, Gitarre), Samantha Stella (Gesang, Piano, Orgel) und Matt Bordin (Pedal Steel Guitar, Synthesizers, Orgel, Drone Arrangements).

www.nerokane.com
https://nerokane.bandcamp.com
www.facebook.com/nerokanemusic
www.instagram.com/nerokane

Diskographie:

Hell23 (Soundtrack zur gleichnamigen Live-Installation von Samantha Stella und NK, 2018)
Love In A Dying World (LP, 2018)
Tales of Faith and Lunacy (LP, 2020)
Tales of Faith and Lunacy – Live Session (Bandcamp only, 2022)
Of Knowledge And Revelation (LP, 2022)

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