von UltraViolet aka U.Violet, zuerst erschienen bei www.Saitenkult.de:
IMPERIAL TRIUMPHANT – Spirit Of Ecstasy
1. September 2022
~ 2022 (Century Media Records) – Stil: Black Death Jazz ~
Diese drei New Yorker sind aktuell wohl die aufregendste und gleichzeitig wichtigste Band im extremen und Avantgarde-Metal, vielleicht sogar im Metal überhaupt, denn niemand außer ihnen bringt so viel Innovation bei gleichzeitiger Genretreue in Songs unter, die komplex und eingängig zugleich sind. Wie schon Kollege Zenner in seiner Kritik zum 2020er Vorgängeralbum ´Alphaville´ meinte, „hat diese Band gerade ihr großes Momentum“ – es dauert nur schon seit Jahren an und zieht immer weitere Kreise.
Gegründet von Zachary Ezrin 2005, erstes Demo 2008, nun der fünfte Langspieler und eine beeindruckende musikalische Entwicklung innerhalb und durch diverse Stilrichtungen hindurch, erobern IMPERIAL TRIUMPHANT gerade die Welt, indem sie sich von den Roaring Twenties, also hundert Jahre vor unserer Zeit, inspirieren lassen, als Spiegel der heutigen Gesellschaft.
Schon damals das Zentrum der Welt, spielt die Geburtsstadt die wohl größte Rolle für ihren einzigartigen Sound, der den Big Apple verkörpern soll und allein ihn zum Thema hat: Moloch und Traum, die Stadt der größten Kontraste zwischen Luxus und Elend, Sinnlichkeit und Gosse, Finanzzentrum und Kulturmetropole und vor allem die Stadt, die niemals schläft, sie gibt mit ihren vollgestopften Verkehrsadern und den Menschenmassen, die sich in ihr drängen den Takt vor, nach dem das Trio spielt – chaotisch, drängend, ekstatisch, getrieben. Ihr Glanz spiegelt sich wider im Gold der Masken und Instrumente, genau wie ihre hinter den Kulissen verborgene schwarze, verrottete Seele, die schon so viele Trends hervorgebracht hat.
Der spezielle Untergrund, aus dem IMPERIAL TRIUMPHANT kommen, war neoklassischer Black Metal, schon damals rhythmisch sehr komplex und technisch angelegt, doch immer mit überragendem und stimmigen Songwriting, sowie stets mit der Unterstützung diverser versierter Musiker an im Metal-Zusammenhang eher unerwarteten Instrumenten. Schaut man sich die (vermutlich unvollständige…) Liste über die Zeit seit 2008 an, kommt schon fast ein kleines Kammerorchester zusammen: Violine, Cello, Kontrabass, Piano, Klarinette, Trompete, Posaune, Tuba, Saxophon plus Taikotrommeln, Synthesizer und eine Menge Gitarren. Bandleader Zach muss aus einem extrem musikalischen Umfeld stammen, oder er hat durch seine künstlerische Vision schon immer die fähigsten Mitspieler und Gäste angezogen, was sich wiederum auf die langsame Weiterentwicklung ihres Stils in Richtung Dissonanz und komplexer TechDeath-Avantgarde ausgewirkt hat. Heute spürt man den Black Metal zwar noch, doch ist die Repetition schon längst in der Jazzimprovisation aufgegangen.
Folgerichtig sind auch diesmal wieder diverse und nicht nur New Yorker Musiker an ´Spirit Of Ecstasy´ beteiligt, die Liste umfasst unter vielen anderen Denis „Snake“ Bélanger von VOIVOD genauso wie TESTAMENTs Alex Skolnick oder Trey Spruance von MR. BUNGLE. Ex-Gitarrist Max Gorelick duettiert mit seinem Vater Kenny G am Sopransaxophon in ´Merkurius Gilded´ (der tollpatschige Ameisenbär im Video unten!), und Langzeitproduzent Colin Marston ist diesmal sogar an den E-Drums zu hören, diverse Jazzmusiker vervollständigen das Lineup. Dass auch die Bandmitglieder Virtuosen an ihren Instrumenten sind, versteht sich da von selbst, sie haben ihre jeweilige Vielseitigkeit zuletzt beim 2021er Livealbum ´An Evening With Imperial Triumphant´ bewiesen. Wie bereits dort merkt man dem Trio auf ´Spirit Of Ecstasy´ an, dass diese Besetzung nach nun sieben Jahren perfekt miteinander harmoniert.
Die Extreme, die schwindlig machende Dualität des Lebens in der City spiegeln sich in der pechschwarzen Sicht auf Dekadenz und Hässlichkeit in Songs wie ´Tower Of Glory, City Of Shame´ oder ´Metrovertigo´, die von schwerem, oft dissonantem Riffing unter allerlei, gern gegenläufigen aberwitzigen Drum- und Bassfiguren und Versatzstücken aus Radio und Film der damaligen Zeit geprägt sind. Der Einsteiger ´Chump Change´ zeigt, wie grundlegend treibender Rhythmus für IMPERIAL TRIUMPHANT ist, und wie Stücke in einem Streich dekonstruiert und wieder zusammengefügt werden können. Zachs tiefes Growling kommentiert das moderne Babylon aus einer inneren Distanz, der Blick geht in Vergangenheit und Zukunft zugleich, noch ist der American Dream nicht gestorben, doch dass wir in einem Endzeitalter leben, ist in jeder Note hörbar. Die ganze Platte ist zugleich eine ekstatische Feier des Lebens als auch ein Abgesang auf den ewigen Fortschrittsglauben, und gibt in ihrer kaleidoskopischen Breite genug Raum für Nachdenklichkeit und Hedonismus zugleich, sie bietet jedoch vor allem ein schier unendliches Füllhorn an musikalischen Ideen und Aberwitzigkeiten für den anspruchsvollen Hörer, egal ob er aus der Metal- oder Fusionszene kommt.
´Spirit Of Ecstasy´ ist eines der Alben des Jahres 2022, zeigt IMPERIAL TRIUMPHANT auf der Höhe ihres Könnens und macht gleichzeitig deutlich, dass das noch lange nicht das Ende der Fahnenstange für die New Yorker ist. Wer, wenn nicht sie, wird in Zukunft die ganz großen Bühnen bespielen? Eben.
(9,5 Punkte)
http://www.imperial-triumphant.com/
https://www.facebook.com/imperialtriumphant
https://www.instagram.com/imperialtriumphant/
IMPERIAL TRIUMPHANT – An Evening With Imperial Triumphant
2021 (Century Media Records) – Stil: Avantgarde Black Metal
Ein Abend im tiefsten Downtown New York, im legendären The Slipper Room, einem Burlesque-Varieté-Theater, wo sich Opulenz, Dekadenz und Zweideutigkeit die Klinke in die Hand geben – die ideale Bühne für das Trio, dass die Extreme des Molochs NYC in ebensolcher Musik zu erfassen versucht. Sechs Songs wurden aufgenommen, je hälftig aus den beiden letzten Alben ´Vile Luxury´ und ´Alphaville´ stammend, und die Mischung ist zudem sehr abwechslungsreich ausgefallen, so dass sich IMPERIAL TRIUMPHANT in all ihrer Arrangement-Pracht, übertriebenem Noise- und Dissonanz-Worshipping und generell aberwitzigen Technik präsentieren können, nur leider keinem Publikum, dessen Begeisterungsausrufe ich doch schmerzlich vermisse… denn wer die New Yorker live erlebt hat, weiß, wie radikal experimentell und mitreißend ihre Auftritte ausfallen. Damit dient dieses Album jedoch dem Neuling als perfekter Einstieg in das Universum der aktuell vielleicht radikalsten Erneuerer des Genres. Ideal für einen winterlichen Abend vorm Kamin!
(Ohne Punktwertung – U. Violet) – http://www.imperial-triumphant.com – https://www.facebook.com/imperialtriumphant